Immo Aktuell
In Wien dürfen auch Hauseigentümer:innen denkmalgeschützter Häuser die Abrissbirne schwingen, solange sie nachweisen, dass sie sich eine Sanierung nicht leisten können. Im Juli traf dies auf ein Biedermeierhaus im 7. Bezirk zu.
TEXT: CHRISTIAN BUNKE
Am 13. Juli endete die 220-jährige Lebensgeschichte eines Biedermeierhauses in der Kaiserstraße 31 durch Abriss. Der wurde von Bürgerinitiativen und Denkmalschützer:innen betrauert, schließlich wurde mit einer Kundgebung und einer Unterschriftensammlung versucht, diesen zu verhindern. Dafür war nicht viel Zeit, denn von dem geplanten Abriss erfuhr die Öffentlichkeit nur wenige Tage im Vorfeld. Immerhin 1.100 Menschen unterschrieben trotzdem innerhalb einer Woche eine Online-Petition. Den Wiener:innen wird oft ein kaltes Herz nachgesagt, aber sie haben wohl eins für die Häuser ihrer Stadt. Dabei sei die Bauhistorie den Wiener:innen oft nicht bekannt, meint Johannes Kraus, ein Architekt, Anrainer und Mit-Initiator der Unterschriftensammlung. «Doch so ein Nebeneinander aus Biedermeier und Barock gibt es nur in wenigen Städten. Das ist ein wesentliches Faktum dieser Stadt, es gehört zur Seele Wiens. Ein Erhalt dieses Zusammenspiels liegt deshalb im öffentlichen Interesse.»
Im Namen des Marktes.
Das abgerissene Gebäude zählt zu einem ganzen Häuser-Ensemble, welches sich im Besitz eines von der Kongregation der Schwestern vom Göttlichen Erlöser betriebenen Klosters befindet. Die Nachbarhäuser stehen noch, allerdings fragen sich Menschen wie Johannes Kraus, wie lange das noch der Fall sein wird. Kraus beobachtet Leerstand und Verwahrlosung. Er befürchtet, dass hier bald ein Anlass für eine «wirtschaftliche Abbruchreife» entstehen könnte.
«Wirtschaftliche Abbruchreife» ist ein Begriff aus dem Paragraf 60 der Wiener Bauordnung. Darin wird neben anderen Dingen behandelt, unter welchen Umständen sich unter Denkmalschutz befindliche Gebäude oder Häuser in Schutzzonen abgerissen werden dürfen. Das Haus in der Kaiserstraße 31 stand, ebenso wie ihre noch «lebenden» Nachbarhäuser, in einer solchen Schutzzone. Als Schutzzonen werden in der Wiener Bauordnung Gebiete ausgewiesen, die «wegen ihres örtlichen Stadtbildes in ihrem äußeren Erscheinungsbild» erhaltungswürdig erscheinen. Das heißt: Häuser in Schutzzonen dürfen nicht abgerissen werden. Eigentlich.
Denn jetzt kommt der bereits erwähnte Paragraf 60 ins Spiel. Der besagt in Abschnitt d), dass es auch einem sich in einer Schutzzone befindlichem Haus an den Kragen gehen kann, wenn «sein Bauzustand derart schlecht ist, dass die Instandsetzung technisch unmöglich ist oder nur durch wirtschaftlich unzumutbare Aufwendungen bewirkt werden kann». Ob ein Haus saniert werden muss oder abgerissen werden kann, steht in Wien somit unter einem Finanzierungsvorbehalt. Hauseigentümer:innen können zu diesem Zweck Gutachter:innen bestellen, um analysieren zu lassen, ob eine Sanierung für sie leistbar ist – oder nicht. Das geht ganz «easy», sagt zumindest Johannes Kraus, der als Architekt selber öfter derartige Gutachten verfasst.
Altbau benachteiligt.
Laut Aussage der Initiative Denkmalschutz vom 29. Juni 2022, die ebenfalls gegen den Abriss der Kaiserstraße 31 protestiert hatte, ist die Berechnungsmethode für die wirtschaftliche Abbruchreife «extrem benachteiligend für den Altbau, denn einerseits sind die Mieteinnahmen gedeckelt (im Gegensatz zum Neubau), andererseits lassen sich bei Neubauten zumeist deutlich mehr Geschoße errichten und somit mehr Einnahmen (Miete/ Verkauf) erwirtschaften». Dies sei eine «Schieflage», welche auch der von der Stadt Wien aufgelegte Altstadterhaltungsfonds, der eigentlich mit Geldzuschüssen Abrisse aus wirtschaftlichen Gründen vermeiden helfen soll, «immer seltener ausgleichen» könne.
Das von der Initiative Denkmalschutz gezeichnete Bild wird indirekt von Markus Reger bestätigt. Er ist als Verwaltungsdirektor für die Liegenschaften der Kongregation der Schwestern vom Göttlichen Erlöser zuständig. Der Orden habe sich lange Gedanken über die Zukunft des Hauses gemacht, unter anderem über eine «wohnwirtschaftliche Nutzung» beziehungsweise die Schaffung von Mietwohnungen. Auch eine Aufstockung des Hauses sei angedacht gewesen. Ohnehin sei die Bausubstanz im Inneren des Gebäudes «sehr desolat» gewesen. «Es ist viel Asbest verbaut gewesen», so Reger. Aufgrund der hohen Umbaukosten sei schließlich die Idee der wirtschaftlichen Abbruchreife ins Spiel gebracht worden. «Über die im Straßenzug verbliebenen Gebäude machen wir uns noch Gedanken. Ein Abriss sei derzeit nicht geplant und «wird auch nicht diskutiert», sagt der Verwaltungsdirektor. Wenn sich dies nicht aufgrund der steigenden Baukosten ändere. «Derzeit geht sich eine Nutzung des Hauses aber aus, auch wenn es kein dickes Plus ergeben würde.»
Architekt Johannes Kraus erinnert sich noch an Zeiten, als aus den Gebäuden des Klosters heraus Armenspeisungen stattfanden. «Das war eine gute Nutzung, die die Straße auch belebt hat», findet er. «Es ist schade, dass das Kloster sich jetzt nur noch wie ein Immobilienspekulant verhält.»