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Craftistas: Frauen in Handwerk und Technik

Kettensägen, polstern, Gold und Silber schmieden – oder auch einfach Lampen aufhängen und den Kühlschrank anschließen? Kann frau alles lernen: Bei Craftistas, der

Offenen Frauen*WERKstatt in Wien. Ruth Weismann (Text) hat vor Ort mit Mitbegründerin Karin Gruber gesprochen.

Ein schönes Gebäude im 16. Wiener Gemeindebezirk. Drinnen herrscht gemütliche Werkstattatmosphäre, im Hof stehen Palettensitzmöbel, alle selbst gebaut. Und alle von Frauen. Was man eigentlich nicht betonen müssen sollte, doch es ist nun mal immer noch so: Handwerk wird vielfach als Männersache gesehen, wenn es um Technik, Holz und Metall, also als «hart» konnotierte Materialien und Handarbeiten geht. Frauen hingegen stricken und nähen, so die Vorstellung, die sich natürlich auch schon etwas geändert hat. Dennoch, Frauen in der Technik gibt es immer noch weniger, nicht nur, weil es weniger studieren, auch, weil das (Unternehmens-)System es ihnen immer noch weniger zutraut.

Gleichzeitig ist Do-it-yourself (DIY) immer noch ziemlich en vogue. Vom Smoothie bis zum Holzsessel wird alles Mögliche gerne selbst hergestellt – Radwerkstätten, in denen man lernt, sein Rad zu reparieren, boomen, und auch Nähen und Stricken hat seit längerem eine kleine Renaissance erlebt. Der Verein Craftistas wurde 2013 gegründet und arbeitet mit dem Verein SUNWORK – Bildungsalternativen für Frauen und Mädchen zusammen, der etwa auch Energieberatung anbietet. «Als Craftistas bezeichnen sich Aktivistinnen, die ihre Ziele mittels Handwerk (=craft) und durch ‹Selber-Machen› (=activism) verfolgen. Craftistas Wien ist eine Initiative von Frauen* mit Kompetenz in unterschiedlichen technisch-handwerklichen Arbeitsfeldern», lautet die Eigenbeschreibung auf der Homepage. Dabei geht es aber nicht nur ums Handwerk an sich, sondern auch um Geschlechtergerechtigkeit im Alltag sowie gesellschaftliche und berufliche Teilhabe.

Im Gebäude in der Roseggergasse gibt es Do-it-yourself-Workshops, Reparatur und Recycling-Cafés, Energie-Cafés und Offene-Werkstatt-Tage für Frauen und Mädchen. Besonderes Augenmerk wird auch auf Frauen mit Flucht- und Migrationshintergrund gelegt. Im Sommer startete ein sechsmonatiger Workshop, bei dem während der Werkstattarbeit auch die Kommunikation auf Deutsch geübt wird. Karin Gruber erklärt, wie das Projekt funktioniert:

Was ist der Ansatz von Craftistas?

Es geht um die Kompetenz, Sachen selber zu machen. Da wird möglichst nicht differenziert, ob etwas typisch männlich oder typisch weiblich ist. Wir machen Sachen mit Holz, Metall oder Elektro, wie auch Textil, Nähen, Polstern und Ähnliches.

Wie funktioniert das konkret?

Es gibt angeleitete Termine, Workshops oder Reparatur-Cafés, wo dezidiert eine Frau da ist, die ein bestimmtes Programm anbietet. Und es gibt Termine für die offene Werkstatt, wo Frauen kommen können und die Werkstatt nutzen. In der Regel ist da auch eine Person da, die ein bisschen helfen kann, aber nicht unbedingt aus jedem Fachbereich. Diese Termine sind darauf ausgerichtet, die Werkstatt für eigene Projekte zu nutzen. Oft ist es so, dass es einen Workshop gibt, und dann komme ich auf die Idee, das und das würde ich gerne machen, oder ich möchte mein Projekt fertigmachen. Dafür sind die offenen Werkstatttermine dann da. Wenn eine an etwas arbeitet, für das sie mehr Zeit braucht und sich schon auskennt, kann auch ein Extra-Termin ausgemacht werden.

Was wird hier so hergestellt?

Ganz Unterschiedliches. Radreparieren ist eine Sache, es wird viel mit Holz gearbeitet, wir machen Elektroworkshops, wo es um Elektroinstallation geht, Lampen bauen, reparieren, aber auch Siebdruck, also Stoffe und T-Shirts bedrucken, nähen und so weiter. Die gemeinsame Werkstatt hat auch einen ökologischen Background. Es müssen nicht alle jedes Werkzeug daheim liegen haben. Es ist besser, die Sachen zu teilen, eine vernünftige Werkstatt zu haben, die von vielen genützt wird, als wenn jede sich ihr eigenes Reich aufbaut. So kann man sowohl Ressourcen als auch Wissen teilen und austauschen. Es ist lustiger, es ist ökologisch sinnvoll und es ist ökonomischer.

Kommen viele Frauen mit Fluchthintergrund?

Sehr viele. Wir machen auch Do-it-yourself im Gesundheitsbereich. Flüchtlingsfrauen haben davon erzählt, wie schwierig es oft ist, sie werden nur herumgeschickt, bekommen Medikamente, etwa bei Kopfschmerzen, aber es kümmert sich niemand darum, was dahinter steht. Darauf haben wir reagiert, indem wir Angebote gemacht haben, wo es darum geht: Was kann ich selber tun? Massagen, Entspannungstechniken, auch Naturkosmetik, Cremen selber zusammenrühren, sich mit Kräutern und Lebensmitteln auseinandersetzen, Fermentierworkshops. Auch den Schwerpunkt Garten haben wir immer wieder, wo es etwa darum geht, Pflanzbehälter selber zu bauen.

Im Sommer haben wir ein Projekt gestartet, das eine laufende Geschichte bis Jahresende mit 14-tägigen Terminen sein soll. Der Schwerpunkt liegt auf Flüchtlingsfrauen, aber nicht ausschließlich, da es auch um Integration geht, also darum, zusammen etwas zu tun. Das ist so aufgebaut, dass wir einerseits die Grundlagen von Arbeiten mit Werkzeugen zeigen, aber auch darauf schauen: Was steht eigentlich für die einzelnen Frauen an? Was haben sie für einen Bedarf in der Wohnung? Die eine will schon lange eine Lampe aufhängen, die andere braucht ein Regal, die dritte wohnt in einem Zimmer mit einer zweiten, wo sie null Privatsphäre hat, und hätte gerne einen Paravent, um sich zumindest ein bisschen zurückzuziehen. Das sind Anliegen, die immer wieder so reintröpfeln, wo wir versuchen zu helfen. Darum haben wir das nun in ein Projekt gepackt, um die grundlegenden Sachen zu lernen: Wie handhabe ich eine Bohrmaschine, eine Stichsäge und so weiter. Dann schauen wir, was die einzelnen Frauen brauchen, und versuchen möglichst viel davon umzusetzen. In Kleingruppen können alle die Inhalte mitbekommen, etwa wie ich eine Lampe aufhänge. Dann können wir uns mit einer Werkzeugkiste ins Auto setzen und zu denen fahren, die es brauchen, und gemeinsam die Lampen aufhängen. Es geht hier um DIY, aber nicht, weil es schick ist, sondern weil es eine alltägliche Notwendigkeit für die Frauen ist. Sie können sich keinen Workshop um 250 Euro leisten.

Sind die Workshops bei Craftistas alle finanziert?

Es kommt darauf an. Normalerweise gibt es Teilnahmebeiträge und Materialkosten zu zahlen, aber es gibt einzelne Projekte, die finanziert sind, da gibt es keine Beiträge. Aber auch sonst gilt: Die Beiträge sind als Richtwert zu sehen. Wenn eine Frau kommt, die kein Geld hat, schicken wir sie nicht weg. Wir können natürlich jede Spende brauchen, aber auch Zeitspenden. Wir freuen uns über Frauen, die sagen, ich habe Lust, im Team mitzuarbeiten. Oder: Ich kann dies und jenes gut und biete einen Workshop an, ohne dass ich dafür bezahlt werde.

www.craftistas.at