Wo Bauen Freude machtvorstadt

Das MUSA zeigt eine Fotoausstellung über «Belgrad am Wasser»

Die zurzeit wohl größte und bestimmt irrsinnigste Baustelle Europas ist in Belgrad verortet. Für die «Belgrade Waterfront» werden insgesamt rund 1,8 km2, was der Fläche des vierten Wiener Gemeindebezirks entspricht, einfach platt gemacht. Nicht einmal der Hauptbahnhof bleibt davon verschont, ganz zu schweigen von unzähligen etablierten Wohnbauten. Das Geld dafür schwappt aus den Vereinigten Arabischen Emiraten nach Europa rüber, und die serbische Regierung scheint alle Investorenwünsche auf Punkt und Beistrich zu erfüllen. Am Rande sei angemerkt, dass auch österreichische Unternehmen sowohl Beton mitmischen als auch bereits Luxuswohnungen unter dem Slogan «Belgrad am Wasser» vermitteln. Dass sich dort Belgrader_innen mit durchschnittlichem Einkommen nicht annähernd eine Wohnung leisten können, braucht hier wohl nicht extra hervorgestrichen werden.
Die in Wien und Graz lebende Fotografin Julia Gaisbacher begleitet seit 2017 diese buchstäblich brutal (Planierraupen rückten unangekündigt in der Nacht an) durchgeführte Mutation von Belgrad. Bilder ihrer Serien sind derzeit im MUSA unter dem Titel Concrete Acts on Belgrade zu sehen. Gaisbacher setzt dabei nicht auf plakative Motive, obwohl sie sich zuhauf anbieten würden, sondern rückt bewusst die ersten errichteten Wohntürme in den Hintergrund oder zur Seite. Sie stehen somit als Vorboten für die komplette Umwälzung des ehemaligen Hafen- und Bahnhofviertels.
Auf eine sehr ruhige und ästhetisch hervorragend gelungene Weise übt die auf Städtebau spezialisierte Fotografin hier Kritik. Gelernt ist halt gelernt, denn Julia Gaisbacher ist in der Grazer Terrassenhaussiedlung aufgewachsen, einem Vorzeigewohnprojekt in Sachen Partizipation der Bewohner_innen.

Bis 11. Dezember bei freiem Einritt
MUSA, 1., Felderstraße 6–8
juliagaisbacher.com

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