Freunderlwirtschaft führt zu Zusatzkosten, die wir alle zahlen …
Der Augustin traf den Schweizer Anti-Korruptionsexperten Mark Pieth zum Gespräch über Korruption, Hintergründe und Ursachen.Wir gehen davon aus, dass wirksame Kontrolle ein probates Mittel gegen Korruption ist. Der Aufsichtsrat einer Kapitalgesellschaft hat den Vorstand zu kontrollieren. Bei diversen Raiffeisengesellschaften fällt auf, dass beispielsweise der Vorstand einer Aktiengesellschaft A im Aufsichtsrat einer anderen Raiffeisengesellschaft B tätig ist, deren Vorstand wiederum im Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft A sitzt. Ist da wirksame Kontrolle möglich, wenn sich Vorstände gegenseitig kontrollieren?
Mark Pieth: Ich kann hier nur allgemein sprechen und beziehe mich nicht explizit auf Raiffeisen. Aber das ist ein interessanter Aspekt. Dahinter steht die Frage: Gibt es in Österreich Korruption? Das zu beantworten ist das Geschäft der Korruptionsstaatsanwaltschaft. Es gibt einen Bereich, der sehr groß ist: Austauschverhältnisse unter Freunden. Ein Beispiel: In Korea rekrutieren die großen Firmen ihre Aufsichtsräte aus anderen großen Firmen. Auch in der Schweiz ist das so. Wenn man dann nachfragt, weshalb das so ist, wird geantwortet, diese Personen hätten das größte Know-how. Das mag schon stimmen, ist aber letztlich ein Trick, um Governance außer Kraft zu setzen. Aufsichtsfunktionen und Kontrolle können Sie lahm legen, wenn Sie nicht unabhängige Leute in einen Aufsichtsrat schicken.
Fällt dies unter den Begriff «Korruption», oder braucht man da einen anderen Terminus technicus?
Der Begriff «Korruption» ist ein politischer Begriff. Einzelne Teile davon sind strafrechtlich relevant. Der angesprochene Bereich ist dies nicht, denn eigentlich strafbar ist die Bestechung. Darum herum gibt es aber einen großen Bereich, den man «Korruption» nennt, der aber strafrechtlich nicht erfasst ist. Die Aktionäre müssten sich fragen, ob sie gut beraten sind mit einem Aufsichtsrat, der keine effiziente Kontrolle ausüben kann.
Kleinaktionäre haben zwar die Möglichkeit, in der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft das Wort zu ergreifen, aber das hat wenig Gewicht.
Da sind die Medien gefordert. Wenn sie Öffentlichkeit schaffen, wird klar, dass die vorhin beschriebenen Strukturen schlecht für den Ruf eines Instituts sind. Im Bankensektor sind die Institute darauf angewiesen, dass sie über einen makellosen Ruf verfügen.
In Österreich sind seit 1945 zwar schon einige Kapitalgesellschaften mit beträchtlichen Schadenssummen in Konkurs gegangen, es hat aber noch kein einziges Urteil gegeben, das Schadenersatz von den laut Aktienrecht haftbaren Aufsichtsräten fordert. Dasselbe Aktienrecht wird übrigens von Vorständen und Aufsichtsräten gerne zitiert, wenn es darum geht, Maßnahmen zugunsten der Unternehmen zu rechtfertigen.
Das ist erstaunlich. Mit Blick auf die jüngsten Entwicklungen am Bankensektor, Stichwort Hypo Alpe Adria oder BAWAG oder auch BUWOG, um ein Beispiel jenseits des Bankensektors zu nennen. Die Verfahren sind einfach noch nicht ausjudiziert. Was die Hypo Alpe Adria betrifft, kann es gut sein, dass die Münchner Justiz den Job der österreichischen macht. Aber wir sind hier im Bereich der zivilrechtlichen Haftung. Da braucht es einen Kläger, der klar sagt, mir ist Geld abhanden gekommen.
Es gibt in Österreich, besonders im Genossenschaftsbereich, spezielle Strukturen, die aus dem Ausland unbekannt sind. Bäuerliche Genossenschaften agieren als Wirtschaftsunternehmen, es gibt enge personelle Verflechtungen mit der Standesvertretung …
Solche Verflechtungen gibt es vielerorts. Eines ist sicher: Fehlende Kontrolle wird zu Schäden führen. Ein Beispiel: Freunderlwirtschaft führt dazu, dass der Steuerzahler für einen notwendigerweise zu bauenden Tunnel zu viel bezahlt. Oder: Beispielsweise wird im Agrarbereich dafür gesorgt, dass Subventionen hochgehalten werden. Irgendwer wird die Rechnung bezahlen müssen. Es gibt hier die judizielle oder die demokratische Kontrolle. Für die judizielle Kontrolle brauchen wir Gesetze. Wenn die Bürger zufrieden sind und die amtierenden Politiker wieder wählen – dann müssen wir damit leben. Wenn die entsprechenden Gesetze nicht verabschiedet werden und das Sensorium fehlt, dann fällt dies zurück auf die Bevölkerung. Sie sprechen hier von Verflechtungen zwischen Politik und Wirtschaft, das ist zum Teil übliches Machtspiel; hier kann man Sicherungen wie Unvereinbarkeitsbestimmungen einbauen. Dass die Bevölkerung solche Verflechtungen nicht als problematisch einstuft – auch damit müssen wir leben.
Fördert die anstandslose Bildung von De-facto-Monopolen, beispielsweise im Agrarbereich, Korruption?
Die World Trade Organisation sagt ganz klar, die Auflösung von Monopolen, eine Vielzahl von Anbietern, wirkt korruptionspräventiv. Wenn wir Korruption vermeiden wollen, dann können wir uns keine Monopole leisten. Je mehr man Monopole zulässt, desto größer werden die Risiken.
Zur Person: Univ.-Prof. Dr. iur. Mark Pieth, Universität Basel, Ordinarius Strafrecht;
Präsident OECD Arbeitsgruppe gegen Korruption;
President of the Board, Basel Institute on Governance.