«Wo ist nur der lustige Gottfried hingekommen?»Dichter Innenteil

Gottfrieds Tagebuch

Tanzveranstaltungen waren mir immer schon ein Gräuel. In dieser Hinsicht bin ich hauptberuflicher Bewegungslegastheniker.

1. 1.

Jetzt hat also angeblich das letzte Jahr der Menschheit begonnen. Zumindest für die Leute, die dem Mayakalender Glauben schenken. Der 21. 12. wäre dann der letzte Tag. Was sich natürlich negativ auf das Weihnachtsgeschäft auswirken könnte. Ich persönlich begrüße dieses Jahr alleine mit meinen beiden Katzen. Meine Depression hindert mich daran, die Gesellschaft anderer Menschen zu suchen. Außerdem ist auch der finanzielle Aspekt nicht zu unterschätzen. Ich fürchte mich somit ganz einsam vor dem drohenden Weltuntergang, was Mausi zu folgendem Kommentar veranlasst: «w1ednioß-,!». Wenn ich sie richtig verstanden habe, dann meint sie, dass ich meinen Arsch gelegentlich einmal ins Freie bewegen sollte. Der blinde Murli sieht die Problematik ähnlich.

 

3. 1.

Mein linkes Innenohr randaliert. Es scheint einige Hooligans zu beherbergen. Ich bin zum ersten Mal seit langem nicht in der Lage, mein Tagebuch zu formulieren. Außerdem steht mir die Depression ständig im Weg. Wo ist nur der lustige, witzige und kontaktfreudige Gottfried hingekommen? Ich bin mir zwar ganz sicher, dass die Welt heuer nicht unterzugehen gedenkt, denn das tut sie laut diverser Sekten ja schon seit Jahrhunderten. Aber ich brauche dringend etwas Sinnvolles, das mich aus dem Wohnheim treibt. Ich würde ja gerne einige Tagebucheintragungen in Buchform bringen, aber wo soll ich anfangen und wie geht es dann weiter? Wenn irgendwelche x-beliebigen Promis ein Buch herausbringen wollen, dann ist das natürlich kein Problem, jedoch mir fällt es ja schon schwer, überhaupt damit zu beginnen. Vielleicht weil ich Angst davor habe, wie es dann weitergeht. Ob das jemand drucken will, ob ich es schaffe, einige Lesungen zu organisieren. Wovor fürchte ich mich eigentlich? Zum Glück bin ich offizieller Vormund von zwei Katzen.

 

7. 1.

Nur nicht jammern! Aber ein wenig Kritik darf wohl erlaubt sein. In letzter Zeit habe ich viel ins TV geschaut. In diesem Zusammenhang muss ich leider das Ableben des Wortes «gehen» bekannt geben. Da war zum Beispiel die Rede von einem Häftling, der den ganzen Tag in seiner Zelle «auf und ab läuft. Ja, ganz bestimmt! Auf 10 Quadratmeter! Außerdem geht er hin und her. Aber egal, ich bin ein wenig erschrocken über die Ankündigung, dass bei so einem Modelsuchbewerb 16-, 17-jährige Mädchen ein sogenanntes Nacktshooting absolvieren müssen. Soweit ich weiß, dürfen auf Sexseiten nur Nacktfotos von über 18-Jährigen veröffentlicht werden. Aber Sex sells, wie es so schlimm heißt.

 

10. 1.

Ich höre des Öfteren, dass irgendjemand in die Fußstapfen von jemand anderem getreten sei. Meine Wenigkeit behauptet hiermit, dass so eine Person dann aber keine eigenen Fußstapfen hinterlassen kann. Über diese Thematik werde ich jetzt noch ein wenig nachdenken.

 

11. 1.

Es ist Fasching. Was mir ganz schön egal ist. Tanzveranstaltungen waren mir immer schon ein Gräuel. In dieser Hinsicht bin ich hauptberuflicher Bewegungslegastheniker. Warum komme ich jetzt auf diese Gedanken? Ach ja, ich habe mich in eine der zahllosen Diskussionssendungen verirrt. Die nennt man jetzt übrigens Talkshows. In der heutigen wird über den deutschen Bundespräsidenten diskutiert. Der hat etwas Böses gemacht, und darum sind jetzt Teile des Volkes böse. Darum diskutieren Experten stundenlang um des Kaisers Bart. Ein Aspekt gibt mir aber doch viel zu denken: Dem Präsidenten stehen jährlich 200.000 Euro, ein Dienstwagen, ein Büro und eine Sekretärin auf Lebenszeit zu. Es gibt Teile der Bevölkerung, die so etwas nicht verstehen können und wollen.

 

15. 1.

Nichts Neues von der Depression. Stattdessen muss ich mich immer mehr über diese amerikanischen Ratingagenturen wundern. Wie wollen die von Amerika aus über ein europäisches Land urteilen? Wer das amerikanische Schulsystem ein wenig kennt, der weiß, dass diese «Rater» sehr wahrscheinlich nicht einmal annähernd wissen, wo sich Österreich überhaupt befindet. Aber sie können einschätzen, wie zum Beispiel unser Konsumverhalten ausfällt. Es gibt einige Berufe, die die Welt nicht braucht. Meiner bescheidenen Meinung nach handelt es sich bei diesen «Ratern» ein wenig um Blender. Betrüger möchte ich nicht sagen, dieser Ausdruck ist aber heute in einem feineren Kaffeehaus gefallen, das ich aufgesucht habe.

 

17. 1.

Mein Mobiltelefon scheint zu leben. Es begibt sich in einem unbeobachteten Moment einfach an einen anderen Ort. Die beiden Stubentiger der Gemeinheit des Telefonversteckens zu beschuldigen, ist natürlich Schwachsinn. Heute ist das Telefon sofort auffindbar, dafür fehlt das Ladegerät. Ist das schon der beginnende Altersschwachsinn? Da soll man nicht depressiv werden.