Wo Wien Berlin istvorstadt

Streifzüge durch die Wienerstadt

In den 1970er-Jahren war Wien genauso grau wie Ostberlin. Inzwischen ist die ehemals geteilte Stadt zusammengewachsen, und Wien hat sich von einer Grauzone zur zweitgrößten deutschsprachigen Metropole gemausert. An manchen Ecken gleichen sich die beiden Hauptstädte noch immer. Mario Lang (Text und Fotos) hat diese Platzerln gesucht und gefunden.

Bildunterschrift: Kreuzberg: Berlin, Oranienstraße vs. Wien, Breite Gasse

Der Bezirk Kreuzberg, überregional legendär geworden aufgrund seiner Alternativ- und Hausbesetzer_innen-Szene. Wien-Neubau hat mit Berlin-Kreuzberg rein gar nichts zu tun, nur ein vereinsamtes Biedermeier-Haus in der Breite Gasse bringt anarchistisches Flair in den verhipsterten 7. Bezirk.

«Das schönste jetzt in Wien ist der Schnellzug nach Berlin – direkt, direkt, direkt!», spottete die Wiener NDW-Band Blümchen Blau Anfang der 80er-Jahre. Wien hat sich mit den Jahren den Schlaf aus den Augen gewischt, und die Sehnsuchtsorte haben sich umgekehrt. Berlin ist schneller, aber auch unbarmherziger, dafür «existiert in Wien noch der reale Sozialismus», wie ein Ostberliner Freund immer wieder wohlwollend kopfschüttelnd feststellt. Die Achse Wien-Berlin floriert. Inzwischen singt man in Berlin «Heite grob ma Tote aus» vom Strizzi-Poeten Voodoo Jürgens, und ganz Wien einigt sich auf Berliner Döner als beste Kebab-Bude der Stadt. Berlin verfügt über eine «Wiener Straße», Wien einen Gemeindebau «Berliner Hof», und in beiden Metropolen windet sich die Sonnenallee, dort, wo die Stadt am Ende ist. Abgesehen davon gibt es in Wien ganz viel «Mauerstadt», mit offenen Augen und ein wenig Phantasie nicht zu übersehen.