Seine ersten 28 Jahre wurde der Augustin im 3. Bezirk gedruckt. Nachdem die Druckerei Herold mit Ende 2023 ihre Pforten schließt, haben wir uns nach einem ähnlich sympathischen Betrieb umgeschaut – und sind in Horn gelandet. Ein Abschied und ein Ausblick.
Text: Lisa Bolyos, Reinhold Schachner
Fotos: Michael Bigus
Herold: Tränen zum Abschied
«Das Papier kommt vom Keller, von der Rolle, und wird hier durch den Turm geführt; unten werden vier Farben auf einer Seite gedruckt, dann geht’s durch die Maschine rauf, und auf der Rückseite werden wieder vier Farben gedruckt. Es läuft durch den Falz durch, wird geschnitten, zusammengelegt und kommt fertig bei der Auslage heraus.» Während Thomas Mastalir uns Lai:innen den Druckvorgang erklärt, schießt ein Augustin nach dem anderen an uns vorbei. Immer wieder holen die beiden diensthabenden Drucker sich ein paar Exemplare raus, prüfen die Falz, schauen durch die Lupe, ob die Farben passen. Dann wird nachjustiert. Eine beeindruckende Menge Makulatur wandert ins Altpapier, bis der ideale Augustin zum Druck freigegeben wird.
Thomas Mastalir, Coverstar dieser Ausgabe, ist seit 2000 Drucker bei Herold im 3. Bezirk. Gelernt hat er Buchdruck, «auch ein aussterbendes Gewerbe». Übernächstes Jahr geht er in Pension. Ein vorletztes Mal begleitet er heute den Augustin durch die Produktion. Unten, «im Expedit», warten Kolleg:innen, um die getrocknete Zeitung in die für uns so praktischen Hunderterpackerl zu stapeln und zu verschnüren. Zwei Leute zupfen an Stehtischen die Beilage aus, damit diesmal die Alte Schmiede zu ihren Hammer-Exemplaren kommt – die werden frei Haus geliefert.
28 Jahre lang hat der Herold den Augustin gedruckt. Von der Nummer 1 bis zur Nummer 588, die Sie jetzt in Händen halten. Mit dem aktiv herbeigeführten Ende der Wiener Zeitung, die seit 2003 im Haus gedruckt worden war, und dem Wechsel von Die Presse und heute zum Allesfresser Mediaprint hat Herold seine relevante Kundschaft verloren. Steigende Papier- und Energiepreise gekoppelt mit einem gewaschenen Desinteresse an der Qualität des Standorts, die man bei der Geschäftsführung und der Eigentümerin, der P & V Holding AG, vermuten muss, erledigen den Rest. Da kann der Augustin, dieses vergleichsweise kleine Druckprojekt, nicht viel ausrichten. Knapp 130 Jahre nach der Gründung in der Josefstadt sperrt Herold seine Pforten im Arsenal zu.
Von der Reichspost zum Augustin
Die «Verlagsanstalt Herold» wurde 1895 in christlicher Hand eröffnet, in der Strozzigasse 6 – 8, wo heute ein vergleichsweise hässliches Studierendenwohnheim steht. Das trägt immer noch den Namen eines der Herold-Vereinsvorstände: Friedrich Funder, Journalist und Begründer der Furche. Man gab vorerst die Reichspost heraus, die auf einer neu erworbenen Rotationsdruckmaschine auch selbst produziert wurde. Später kamen diverse Wochenzeitungen und das Kleine Volksblatt dazu, 1938 wurde der Verein Herold aufgelöst, linientreue Druckhäuser übernahmen. Nach der Nazizeit wurde der Betrieb als GesmbH neu gegründet, 1976 übernahm die Erzdiözese Wien das Unternehmen und 1990 ging Herold Druck an den ÖVP-Politiker und Medienidustriellen Josef Taus. 1992 zog man in den Neubau in der Faradaygasse. 1995 wurde der Augustin gegründet. Soweit die Chronologie.
Thomas Minelli ist seit 1992 dabei, er ist Abteilungsleiter der Plattenherstellung. «Ich war vor allem stark in die Entstehung des Augustins involviert», erzählt Minelli, und erinnert sich an Gründungsgespräche mit dem Journalisten Max Wachter. Gefragt, was der Augustin im eindrucksvollen Kundenportfolio von Herold für eine Position einnahm, meint Minelli: «Eine treue periodische Zeitung», und, Balsam auf der abschiedsschmerzenden Seele: «Uns war es immer wichtig, Teil eines so tollen Projektes zu sein.» Betreut hat den Augustin «vom Dateneingang bis hin zur Auslieferung und Rechnungslegung» mehr als zwanzig Jahre lang Jaqueline Lader. Sie arbeitet seit 1999 bei Herold, hatte direkt nach Abschluss der HBLA im Sekretariat begonnen. «Ich wusste damals so gar nicht, in welche Richtung ich beruflich gehen möchte», erzählt sie. «Nach kurzer Zeit hat mich mein Chef gefragt, ob ich mich denn in die technische Richtung weiterentwickeln möchte und hat mir angeboten, nebenbei eine Lehre als Druckvorstufentechnikerin zu machen.» So begann Jaqueline Lader mit der Auftrags- und Kundenbetreuung. «Der Augustin», sagt sie, «war keinesfalls ein kleines Projekt für uns. Er gehörte nach all den Jahren guter Zusammenarbeit einfach zu Herold.»
Es geht uns gut!
In der großen Halle von Herold ist es sehr warm an diesem vereisten, verschneiten Dezembertag. «Das ist die Abwärme der Maschinen», sagt Thomas Mastalir. Im Winter ein Segen, im Sommer ein Fluch! Thomas führt in T-Shirt und kurzen Hosen durch den Betrieb.
«Der Augustin war einer der liebsten, unkompliziertesten und angenehmsten Kunden», sagt Jaqueline Lader. Und sind wir ihr nie auf die Nerven gegangen? «Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich das jemals gedacht hätte. Eine kleine Veränderung gab es bei den Lieferungen. Unser Herr Szabo ging in Pension und wurde nicht nachbesetzt. Nun mussten wir die Lieferungen fremd vergeben, das war anfänglich ein wenig holprig. Ich glaube, dass hier mehr der Augustin gelitten und uns anstrengend gefunden hat.» Haben wir nicht! Aber Walter Szabo war natürlich eine Institution. Seit 1986 hatte er bei Herold als Chauffeur gearbeitet – und den Augustin von der ersten Nummer an transportiert: «Zuerst waren das ein paar hundert Zeitungen, die hätte man noch mit dem Moped führen können. Damals hab’ ich gesagt: Schauen wir mal, was das wird!» Kurz vor seiner Pensionierung sagte er im Augustin-Gespräch: «Dem Herold geht es gut! Der Herold hat umgestellt und macht neben der Presse, der Wiener Zeitung und der heute jetzt auch mehr Werbematerial.» Das war 2020. Das Ende «seiner» Druckerei muss er nicht mehr von innen erleben. Auf der Pinnwand im ersten Stock, wo die Augustin-Produktion überwacht und eingestellt wird, stehen noch sein Name und seine Telefonnummer.
Wieder auf Reisen
Auf die Frage, wie er das Ende von Herold aufgenommen habe, reagiert Thomas Mastalir etwas verhalten: «Es war schon … überraschend.» «Als langjähriger Mitarbeiter und einer der letzten ‹Heroldianer›», sagt Thomas Minelli recht direkt, «tut es weh.» Das gilt auch für uns! Jaqueline Lader: «Nach 25 Jahren Beschäftigung bei Herold muss ich sagen, dass diese Veränderung Spuren hinterlässt. Ich schaue jedoch nach vorne, strecke meine Fühler aus und schau mal, was kommt. Denn das Ende jeder Reise ist ein Anfang einer neuen.»
Mit dem Ende von Herold bleibt in Wien eine einzige Zeitungsdruckerei übrig. Die ohnehin unappetitlichen Besitzverhältnisse (Krone, Kurier, Raiffeisen etc.) – bis ins Absurde karikiert nur noch von den aktuellen Geschehnissen rund um die mitbesitzende Signa – halten uns qua natura davon ab, zur Mediaprint zu wechseln. Die sympathischste und klimafreundlichste Alternative zu einer jahrzehntelangen, gut funktionierenden Zusammenarbeit mit der Druckerei, die nur vier Kilometer von der Augustin-Zentrale entfernt lag, führt uns nach Horn. Wir wünschen Ihnen, dem wunderbaren Herold-Team und dem Augustin eine gute Reise!
Berger: Familienbetrieb in 5. Generation
Aus vier sind knapp 90 Kilometer Entfernung geworden: Ab dem neuen Jahr (Nr. 589) wird der Augustin im Waldviertel, genauer in Horn gedruckt. In dieser Stadt mit rund 6.500 Einwohner:innen wurde vor 155 Jahren von Ferdinand Berger eine Druckerei samt Verlag gegründet, welche noch immer als Familienunternehmen, aktuell in fünfter Generation, geführt wird. Der erste Standort, das Werk 1, befand sich im Stadtzentrum, wurde aber im Jahr 1977 wegen Platzknappheit aufgegeben. Immerhin ist es als privat geführtes Druckereimuseum (Besuch nur gegen Voranmeldung in Gruppen unter: 02982/2372-1) erhalten geblieben.
Mit der Errichtung des Werk 3 übersiedelte das Unternehmen an den Stadtrand, blieb dabei innerhalb der Wiener Straße, die Hausnummer 21 wurde durch die 80 ersetzt. Nicht sehr weit, aber von so großer Bedeutung, dass zur Eröffnung der damalige Bundespräsident Rudolf Kirchschläger angereist ist. Und die Bundesbahnen schickten einen Sonderzug mit rund dreihundert Fahrgästen von Wien nach Horn. Von einer Zugdirektverbindung zwischen der Bundeshaupt- und der Bezirkshauptstadt lässt sich gegenwärtig nur träumen, wenigstens verkehren Busse direkt zwischen dem Praterstern und dem Hauptplatz von Horn.
Nähert man sich von der Wiener Straße, ist zuerst ein Betriebsgebäude mit einem in Berger-Blau gehaltenen Schriftzug zu sehen: «Berger – Werk 2 – Endlosdruck». Direkte Nachbarn sind ein Sportwettencafé und ein Abholmarkt für Fleisch und Wurst. Zwischen Werk 2, das bereits 1968 errichtet worden ist, und dem Abholmarkt ist die Zufahrt zum Werk 3 beschildert. Nimmt man diese zu Fuß erschließt sich die Größe des Betriebsgeländes recht gut. Peter Berger, einer der beiden Geschäftsführer, wird später erzählen, dass rund 40.000 Quadratmeter als Büro- und Betriebsflächen genützt werden. Und er wird auf die Außenfassade von Werk 3 eingehen: «Viele meinen, die Fassaden müssten erneuert werden. Ich antworte immer darauf: Die Waschbetonplatten sind nicht entscheidend, ob wir einen Auftrag erhalten oder nicht. Wir erhalten Aufträge, weil die Maschinen modern und die Beschäftigten top sind.»
Im Zeitschriftensektor verankert
Auf der Webseite der Druckerei Berger ist nachzulesen, sie sei die einzige österreichische Rollenoffset-Druckerei in Familienbesitz. Auf dem Werksrundgang zeigt sich Peter Berger begeistert von der Qualität der erst im letzten Jahr angeschafften Ink-Jet-Digitaldruckmaschine: «Man merkt keinen Unterschied zum klassischen Offset.» Auf das Portfolio der Druckerei angesprochen, liefert Peter Berger eine durchaus überraschende Antwort: «Wir drucken alles bis auf Tageszeitungen.» Sehr stark seien sie im Zeitschriftensektor mit derzeit rund 550 verschiedenen Titeln verankert. Darunter das mit über 1,9 Millionen Exemplaren auflagenstärkste Magazin Österreichs, das Clubmagazin des ÖAMTC. Weitere bekannte Titel wären die ORF Nachlese, Woman oder der Gewinn, aber auch Spezialmagazine wie die Phyton: internationale Fachzeitschrift für Botanik. Neben den Magazinen seien noch Schulbücher und Flugblätter von Supermärkten wichtige Standbeine. Und im Verlag Berger erscheint u. a. ein Klassiker unter den Kunsthandbüchern, nämlich der vom Bundesdenkmalamt herausgegebene Dehio.
Diese hunderte Titel klingen nach einem hohen Materialverbrauch. Die Mengen an Papier und Druckfarbe, die Peter Berger nennt, übersteigen einen durchschnittlichen menschlichen Horizont: Pro Jahr rund 40.000 t Papier, die täglich mehrere LKW-Fahrten für den An- und Abtransport benötigen, und rund 600 t Farbe. Im Schnitt werde alle 15 Minuten eine Papierrolle mit einer Länge von 25 km verbraucht. Beim Durchschreiten des Papierlagers macht der Geschäftsführer darauf aufmerksam, dass nicht Feuer, sondern Wasser «das Schrecklichste» wäre und erklärt: «Das Papier ist fest zu Rollen gewickelt, daher nicht so leicht entflammbar, aber die aufgetürmten Rollen würden das Wasser ansaugen und dadurch instabil werden. Im schlimmsten Fall könnte so ein Turm umkippen und andere mitreißen.»
Nur ein Akademiker
Produziert wird rund um die Uhr beinahe die ganze Woche hindurch: «Wir fangen rollierend im Dreischichtbetrieb sonntags um Mitternacht (auf montags, Anm.) an bis samstags um sechs Uhr in der Früh.» Aktuell sind am Standort Horn rund 220 Personen, darunter fünf Lehrlinge, beschäftigt, in Wien führt Berger noch ein kleines Büro. Somit ist die Druckerei hinter dem Landesklinikum der größte Arbeitgeber in Horn und einer der größeren privaten im Bezirk. Zum Thema Mitarbeiter:innen kann Peter Berger mit zwei Besonderheiten aufwarten: Erstens gebe es nur einen einzigen Akademiker im Betrieb, zweitens würden nur sehr wenige nicht aus der Region stammen. Keine zehn Kilometer muss Jawwad Chaudhry zu seinem Arbeitsplatz fahren. Der Auftragsbearbeiter ist erst im Jänner dieses Jahres als «Quereinsteiger» zu Berger gekommen und dient u.a. als «Mittelsmann» zwischen der Druckerei und dem Augustin. Vorher sei er im Finanzdienstleistungsbereich mit den Dienstorten Tulln und Wien tätig gewesen. «Nach zwei Jahren habe ich eine Arbeit gesucht, die näher zu meinem Wohnort ist und mich mehr interessiert.»
Gewaltenteilung im Familienbetrieb
Wie eingangs erwähnt, ist die Druckerei Berger ein Familienbetrieb. Peter Berger und sein um fünf Jahre älterer Cousin Ferdinand Berger V leiten das Unternehmen – aus ein und demselben Bürozimmer. «Wir haben eine Gewaltenteilung: Feri ist für Technik, Produktion und Controlling, ich bin für Verkauf und Marketing zuständig», erzählt Peter Berger. Nicht unerwähnt soll hier bleiben, dass auch die Schwester von Peter Berger, Christina Voith, als Pressesprecherin des Unternehmens fungiert und darüber hinaus im Verkauf tätig ist.
Peter Berger absolvierte in Wien die Höhere Graphische Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt. Bevor er 1997 in den Familienbetrieb eingestiegen ist, verbrachte er ein Jahr in den USA, wo er mit der Digitalisierung und vor allem mit dem World Wide Web konfrontiert worden ist. «Das werde ich nie vergessen, als es geheißen hat: ‹Jetzt müsst ihr über Zeitungen und Bibliotheken recherchieren, und zwar über www›. Ich fragte mich, was ist www? Keine Ahnung! Wir haben zwar schon PCs gehabt, aber keine Vernetzung, keine Server.» Zurück in Österreich konnte er sich, zur Überraschung mancher, noch die Domain berger.at sichern.
Zäsuren in der Branche
Für einen Einschnitt in der Druckereibranche sorgte 2010 der Konzern Apple mit der Einführung des iPads: «Viele haben damals geglaubt, jetzt wird alles nur noch elektronisch gelesen. Später ist das Haptische, das Papiergreifen, wieder viel mehr in den Vordergrund gerückt», so Peter Berger. Jetzt muss wieder von einer sehr angespannten Situation gesprochen werden, denn durch den Ukrainekrieg seien die Strom- und Energiepreise «dramatisch» gestiegen. Sie würden so viel Strom wie alle Horner Privathaushalte zusammen verbrauchen, verrät Peter Berger, wobei zehn Prozent des Strombedarfs von der betriebseigenen Photovoltaikanlage abgedeckt werden. Auch die Papierpreise hätten sich mehr als verdoppelt: «Wir befinden uns in einer Phase, wo kein Mensch genau weiß, wohin die Reise geht. Im ersten Halbjahr ist in Europa um 35 Prozent weniger Papier verbraucht worden – 35 Prozent ist heftig!»
Wiener Würstchen
Der neue Kunde, der Augustin, wird die Geschäftsbilanz nicht auffetten können, er ist nur ein kleines Wiener Würstchen für diese riesige Waldviertler Druckerei. Nichtsdestotrotz ist das Reporterduo der Straßenzeitung herzlichst empfangen und von Peter Berger einen halben Tag lang rundum, mit vielen Antworten und viel Kulinarik, versorgt worden. Beim Verlassen des Betriebsgeländes kontrollieren wir noch die Nummernschilder der Autos der Beschäftigten: Beinahe alle haben Horner Kennzeichen.