WörterbaumDichter Innenteil

(Foto: C. C. Magler) Vielleicht sollte man die gläsernen Scherben, egal welcher Machart, in ihrer ursprünglichen Verfasstheit lassen?

Was kann eine Lippe schon erzählen, wenn sie schweigt. Ihre ganzen Geheimnisse offenbart sie mit jeder minimalistischen Bewegung. Wer braucht da noch nachzufragen, wenn es aus ihr nur so heraussprudelt. Ohne ein Wort zu sagen. Was ist verräterischer: die Verschwiegenheit oder die konkrete Sprache? Ist letztere nicht irreführend. Oft. Ziemlich oft. Wörter sind oft wie an den Buchstaben lecken, eine Zusammensetzung derer. Die einzelnen Silben gleichen zerbrochenen Glasscherben – einmal aus dem Dreck gekommen, ein andermal glasklar wie frisch poliert oder einfach neu. Der Sprung auf dem frisch montierten Fensterglas. Und wie immer allerhand noch zwischen dieser Triangel des Gläserreigens. Wir müssen so viel reden,   so viel gläserne Meute, um dazuzugehören. Ich höre dem Ton von Sebastian Bach. Und es ist keine Lüge dabei. Was ist schon Lüge? Vier Buchstaben mit einem Umlaut. Wogegen Wahrheit das Doppelte dieser beinhaltet. Je länger ein Wort, umso schwerer zu erreichen? Je mehr man redet, umso mehr kann man vertuschen, im Vergleich zur verschlossenen Lippe ist es das Paradies für alle, die nach oben kommen wollen. Wortmund. Falsch oder richtig gibt es nicht. Es existiert nur die gute Absicht. Ab von der Sicht? In die Unsichtbarkeit? Man sieht sie nicht – die Absicht. Alles Vermutungsklischees oder Ahnungsgedanken. Vielleicht sollte man die gläsernen Scherben, egal welcher Machart, in ihrer ursprünglichen Verfasstheit lassen? Dem Lasso der Windungen schwinden. Wörtergrippe. Hochgezüchteter Rosengarten. Manchmal umarmen sich Wörter, weil sie aus der Liebe kommen. Zartheit. Letztendlich ist der Mensch der Täter. Er stellt die Reihung auf. Auch die Entzweiung und den Muskelkrampf im Gehirn. Er kokettiert mit der Lüge – zumeist um seiner selbst willen. Wer ist der Mensch mit seinen Wörtern? Kommunikationsgebäude. Raffinesse neben den Friedhofsmauern, -grabsteinen. Zerbombtes Sein mit den Hieroglyphen einer Abschreckung. Sie spielen zu viel und merken es nicht, weil sie eingespielt sind. Einem Eigentor folgen fünf – wenn nicht mehr – Gegentore, aber haargenau in die Wundengleichungen. Ohnmacht oder pro forma mitspielen, oder ist man schon längst Teil der Spielergarde und hat das Bewusstsein darüber verloren? Blinder Fleck und blauer Fleck? Fleckerlteppich? Fragenberge? Auge um Auge, Zahn um Zahn? Die Legende des Vergebens? Wenn man auf die Nase gefallen ist, tut das der Schönheit Abrisse. Außerdem muss man aufstehen, das Näschen pudern. Rekonstruieren. Eigentlich schon ein Vielaufwand für das Hereinfallen auf billiges Spiel mit Wort, Macht und Persönlichkeit. Möchte man nicht die Wahrheit herauskletzeln? Enttäuschung. Die Täuschung entmachten, um halbwegs sauber zu bleiben, um zumindest zu den polierten Glasscherben zu gehören? Dem anderen die Augen öffnen? Die eigenen Augen öffnen, stets offenhalten. Es ist eine Grundsatzentscheidung, welchen Glasscherben man wählt und in welchem Zustand sie sind und wie man sie zusammenfügt. Und es bleibt die anfängliche Debatte, ob Schweigen nicht das Redlichste ist. Man kann nicht nicht kommunizieren, ist das erste Axiom von Paul Watzlawick. Der Tempel der Wahrheit steht in meiner Verfassung geschrieben und jeden einzelnen Ziegelstein werde ich wieder ersetzen mit Geisteskraft, doch Recht bleibt Recht. Auch dieser Wahrheit darf man sich nicht entziehen. Es gehört eingefordert. Kein Gott hätte anderes gewollt in der Zelle einer Verludertheit, in der wir abgleiten wollen in die Defensive. Oft ist Schweigen eine Geschichte und Reden für das Wahrhaftige ein Baum, der nicht gefällt werden darf.