Wohlstand durch Ausbeutungtun & lassen

Sachbuch: Die Arbeit von Migrant:innen

Mit «Billiglohnländern» und «Dumpinglöhnen» werden nur allzu oft süd- und südosteuropäische Länder in Verbindung gebracht. Doch auch Deutschland ist ein «Billiglohnland». Dieses Argument – das im Übrigen auch für Österreich gilt – breitet der Berliner Journalist Sascha Lübbe in seinem jüngst erschienenen Buch Ganz unten im System überzeugend aus. Anhand der Geschichten von Arbeiter:innen in der Fleischindustrie, Bauarbeitern und Lkw-Fahrern, schildert Lübbe eindrücklich, «wie uns Arbeitsmigrant*innen den Wohlstand sichern», so der Untertitel des Buches, und wie deren Arbeitsbedingungen zwar unmenschlich, aber kaum von öffentlichem Interesse sind.
Lübbe liefert keine trockene Aneinanderreihung von Statistiken und Fakten, sondern ist ganz nah dran: Wenn er Bauarbeiter in ihren Wohnheimen besucht, Lkw-Fahrern auf Raststätten «auflauert» oder die Finanzkontrolle bei einem Einsatz begleitet.
Vor allem aber zeigt Lübbe: Es gibt keine einfachen Lösungen, um Lohndumping und die strukturelle Ausbeutung von Arbeitsmigrant:innen zu beseitigen. Forderungen nach «mehr Kontrollen», «strengeren Gesetzen» oder «höheren Löhnen» greifen oft zu kurz, so Lübbe, da sie die Vielzahl der Interessen und Aspekte der Problematik vernachlässigen.

Sascha Lübbe: Ganz unten im System. Wie uns Arbeitsmigrant*innen den Wohlstand sichern
S. Hirzel 2024
208 Seiten, 22 Euro