Wohnen – jetzt neu & sozial!tun & lassen

Immo Aktuell

Neues soziales Wohnen. Die Internationale Bauausstellung Wien läuft seit 2016 und noch bis 2022. Zeit für eine Zwischenbilanz.

Text: Bettina Landl
Illustration: Much

Internationale Bauausstellungen (IBA) gibt es seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Gemeinsam ist allen, dass sie sich als Spiegel ihrer Zeit auf gesellschaftliche, technische und kulturelle Strömungen und Entwicklungen verstanden wissen wollen. Die IBA_Wien zum Neuen sozialen Wohnen (2016–2022) ist vergleichsweise kurz. Zwischenbilanz wird in einem Buch und einer Ausstellung gezogen.

Wille zur Verbesserung.

Laut Organisator_innen haben sich Internationale Bauaustellungen im 20. Jahrhundert als Instrumente der Innovation bewährt und verstehen sich als Reaktion auf bestehende Defizite. «Aber stellt Wien tatsächlich Bisheriges in Frage, oder präsentiert es der Welt eher sein Best-of?», fragt Stadtplaner Reinhard Seiß im AUGUSTIN-Gespräch. «Eine IBA soll kein Stadtmarketinginstrument sein, sondern neue Wege zu beschreiten helfen. Wien hat sich mit dem Wohnbau aber genau das Thema ausgesucht, in dem es ohnehin am besten ist, zumindest in sozialpolitischer Hinsicht.» Wäre Wien selbstkritisch genug, würde es bei der IBA darum gehen, einen stadtplanerischen und städtebaulichen Paradigmenwechsel voranzutreiben. So würden die großmaßstäbliche Bebauung der neuen Entwicklungsgebiete und ihre Autoabhängigkeit nach wie vor im Widerspruch zu einer nachhaltigen und urbanen Stadt stehen.

Anspannung am Wohnungsmarkt.

Im Zeitraum 2009 bis 2019 stieg die Einwohner_innenzahl Wiens um 217.356 Personen auf aktuell knapp 1,91 Millionen. Insgesamt stehen 220.000 Gemeindewohnungen zur Verfügung. Und seit sich das Sparen infolge unattraktiver Zinsniveaus kaum mehr lohnt, konzentrieren sich in wirtschaftlichen und sozialen Wachstumsregionen lukrative Investitionsmöglichkeiten in gewerbliche und Wohnimmobilien. Um überdurchschnittliche Mietpreissteigerungen zu vermeiden, bedarf es einer politischen Regulation. «Die angespannte Lage am Wohnungsmarkt, aber auch die massiven Sanierungsaktivitäten im Altbau, die eine Reihe qualitativ eher bescheidener, aber sehr günstiger Wohnungen vom Markt verschwinden lassen, haben die Situation für Menschen in und am Rande der Obdachlosigkeit verschärft», schreibt Thomas Ritt, Ökonom und Leiter der Abteilung Kommunalpolitik der Arbeiterkammer Wien in Neues soziales Wohnen. Positionen zur IBA_Wien 2022. Die Errichtung von günstigen Neubauwohnungen mit geringen oder keinen Finanzierungsbeiträgen (SMART-Wohnungen) sowie die Zusammenarbeit von Stadt und Gemeinnützigen mit Sozialverbänden seien gute Ansatzpunkte, auf denen aufgebaut werden könne. Zusätzlich sollten Menschen, die es besonders schwer haben, bei der Wiedervermietung von lastenfreien und damit besonders günstigen gemeinnützigen Mietwohnungen (Bruttomiete etwa 7 Euro/m2) bessere Chancen auf einen bestenfalls unbefristeten Mietvertrag haben. «Eine Regelung, dass etwa ein Drittel dieser Wohnungen über Sozialverbände oder zu Bedingungen von SMART-Wohnungen vergeben werden, wäre ein großer Fortschritt für benachteiligte Menschen, aber auch für die soziale Durchmischung in der Stadt.» Auch bei der Vergabe des Wiener Wohn-Tickets, das den Zugang zum kommunalen und geförderten Wiener Wohnungsangebot ermöglicht, gibt es Änderungsbedarf – die Bedingung, dass man mindestens zwei Jahre durchgehend an der aktuellen Wiener Adresse hauptgemeldet sein muss, schließt viele Menschen in schwierigen Wohnsituationen aus.

Keine Wegwerfarchitektur.

«Seit den 1960er Jahren fehlt es in Wiens Neubau an Kleinteiligkeit und funktionaler Durchmischung», ergänzt Stadtplaner Seiß. «Wir errichten mit wenigen Ausnahmen nach wie vor weitläufige Wohn- und Gewerbegebiete, große Büro- und Einkaufskomplexe und glauben, dass daraus irgendwann so etwas wie Stadt entstehen wird. Hier auszubrechen und zu sagen: Wir hören sofort auf mit diesen monofunktionalen Quartieren, ja mehr noch, wir bauen die in den letzten 40 bis 50 Jahren absolut unurban entwickelte Stadt schrittweise um, wir schieben die unsägliche Wegwerf­architektur von Handel und Gewerbe samt deren Parkplatzwüsten so schnell wie möglich weg und bauen eine zusammenhängende, vitale und schöne – also eine lebenswerte – Stadt. Das wäre ein wegweisender Ansatz!» Aber dafür, so Seiß, «bräuchte es statt der weitverbreiteten Selbstzufriedenheit eine selbstkritische Diskussion über Stadtentwicklung». 

IBA_Wien 2022 / future.lab (Hg.): Neues soziales Wohnen.
Positionen zur IBA_Wien 2022
Jovis 2020, 256 Seiten, 35 Euro

Wie wohnen wir morgen?
Ausstellung, WEST, 7., Stollgasse 17
8. September – 22. Oktober

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