20 Jahre neunerhaus
«Ich war ganz schön nervös, vor Leuten reden, das ist nicht so meines», sagt Günther M. am Gang nach seiner kleinen Rede. Gemerkt hat man die Nervosiät aber nicht. Er hat gerade bei der Pressekonferenz des neunerhauses seine Geschichte erzählt. Wie er, aus geordneten Verhältnissen kommend, spielsüchtig wurde, Schulden machte, auf der Straße landete und in der Obdachloseneinrichtung schließlich Unterkunft fand.
2.179 Menschen fanden durch das neunerhaus in den letzten 20 Jahren wieder ein dauerhaftes Zuhause. Prinzip der Einrichtung ist akute Hilfe: eigene Wohnung, Privatsphäre, kommen und gehen, wann man will. Das Wohnhaus im 3. Wiener Gemeindebezirk, in dem wir uns befinden, wurde gemeinsam mit Bewohner_innen und Mitarbeiter_innen nach deren Bedürfnissen geplant, ist ressourcenschonend gebaut und bekam 2017 den Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit. Dass sich die strukturelle Lage, die für Wohnungslosigkeit verantwortlich ist – hohe Mieten, befristete Mietverträge, prekäre Arbeitsverhältnisse usw. – bessert, sehen die Geschäftsführerinnen Elisabeth Hammer und Daniela Unterholzner nicht, im Gegenteil. Ihre Vision für die nächsten 20 Jahre sehen sie dennoch nicht nur als Utopie: Obdachlosigkeit in Wien abschaffen. Durch das «Housing First»-Prinzip – eine eigene Wohnung vor allem anderen, wo sozialarbeiterische Hilfe zur Verfügung steht, falls benötigt. Selbstständigkeit als Prinzip. Der AUGUSTIN gratuliert dem neunerhaus zum 20-jährigen Geburtstag und wünscht von Herzen, dass die Vision wahr wird.