Ein Rundgang in Sachen Fitness im öffentlichen Raum
Es ist Mode geworden, Bewegungs-parcours in die Parklandschaften zu integrieren. Diese Ertüchtigungsstätten gehören den Jugendlichen und Kindern, auch wenn sie für Alte gedacht und konzipiert wurden, berichtet Karl Weidinger (Text und Foto).
Unsere Vorfahren legten pro Tag unvorstellbare Strecken von 30 bis 50 Kilometer zurück. Zu Fuß, auf Schusters Rappen, per pedes – ganz ohne Antrieb. Anfang des 20. Jahrhunderts mussten Männer gar 15, Frauen etwa neun Kilometer täglich gehen. Mittlerweile sind wir bei unter einem Kilometer Tagesdistanz angekommen. Die Wegstrecken bleiben in der Wohnung, am Arbeitsplatz und zum Einkaufen. Aber zum nächsten Park ist es nicht weit.
In mehr als 20 Wiener Parks kann man bei Beinpresse, Crosstrainer oder Rumpfbank seinen Körper ganztägig bespaßen. Im Outdoor-Fitnesscenter lässt es sich barrierefrei pumpen, radeln, climben, steppen. Ganz ohne Einschreibgebühr oder Gerätereservierung im Vorhinein mit fixen Zeiten. Es herrscht das Müller-Prinzip: Wer zuerst kommt, schwitzt zuerst.
Haydnpark.
Einst als Hundsturmer Friedhof gewidmet, fanden hier die sterblichen Überreste des Komponisten Joseph Haydn ihre (vorletzte) Ruhestätte, bevor diese nach Eisenstadt überführt wurden. Wichtiger sind die zehn Stationen auf fünf Geräteinseln in Reihe hintereinander gestaffelt. Alle Geräte sind kostenlos zugänglich und können mühelos bedient werden. Alter, Körpergröße, Gewicht und Leistungsvermögen spielen keine Rolle, im Gegensatz zum Fitness-Center, wo gleich die Leistungsdiagnostik mitverkauft wird.
Hohe Frequenz an dicht befahrener Route. Mit Parallelstangen, Brustpresse, Latzug? – Nie gehört. Der Latzug dient der Kräftigung der Schulter-, Rücken- und Oberarmmuskulatur. Ähnlich wie ein Butterfly-Trimmgerät.
Beim Haydnpark stößt Meidling an Margareten, dazwischen sieben Gürtelfahrstreifen. Die Möglichkeiten zum Work-out sind der Frauenpolitikerin Johanna Dohnal gewidmet. Die ist hier so wenig bekannt wie der Namensgeber Haydn – obwohl Haydn ein Anagramm zu Handy ist.
Auer-Welsbachpark.
Vor dem Technischen Museum befindet sich eine riesige Grünanlage. Der Park kann von mehreren Seiten betreten werden: Mariahilfer Straße, Schlossallee, Winckelmannstraße. Die grüne Lunge in Rudolfsheim ist so weitläufig, dass ganze Sommerfestivals hier reinpassen würden.
Körperliche Aktivität wirkt sich positiv auf die Gesundheit aus. Geist und Seele takten im Einklang, auch neben den Hauptverkehrsadern. Die färbigen Stationen sind in freundlichem Grün und hellem Grau gehalten, mit gelbem Sockel und gelber Kappe obenauf (Kinder-TV-gerecht). Hier führen viele Lauf- und Radstrecken rund um Schönbrunn vorbei. Aktivist_innen stretchen und dehnen, starten oder beenden hier ihr Fitnessprogramm.
Die Aktiv- und Bewegungs-Parcours haben einen theoretischen Überbau. «Calisthenics-Anlagen» nennen das die Profis, die das Potenzial früh erkannt haben. Klimmzugstangen, Barren und Hangelstrecken beanspruchen etliche Muskelpartien für komplette Bewegungsabläufe. Das stärkt nicht nur einzelne Muskeln, sondern trainiert auch das Zusammenspiel und die Effizienz ganzer Körperregionen.
«FreeGym – Fitness im Freien» steht darauf und dahinter. Nicht mehr Zirkeltraining oder Körperertüchtigung, wie es zu meiner Zeit geheißen hat. Alles sicher, TÜV-geprüft, barrierefrei und bequem, um die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen aus der Umgebung zu fördern. Eine Nabel- wie auch Muskelschau im – stellenweise leicht vermännlichten – öffentlichen Raum ist es nur dort, wo sich die Gangs herumtreiben (Rossauer Lände).
Hier sind wenige Profis am Werkeln, eher Leute mit Tagesfreizeit. Vor allem die Mütter-Kinder-Komponente kommt zum Tragen. Es ist ein gutes Zeichen, wenn es nicht zu testosterongesteuert zugeht, sondern familiär mit guter soziologischer Durchmischung.
Attraktive Sitzgelegenheiten laden sogar zum Ausruhen ein. Im Gegensatz zu den Hotspots der Mobilität in den Bahnhöfen findet hier kein «Bankenraub» statt. «Die Spielgeräte wurden aus heimischem Holz umweltfreundlich gezimmert. Die Entwicklung erfolgte in Zusammenarbeit zwischen dem Universitätssportinstitut Wien, einem Salzburger Spielgerätehersteller und den Wiener Stadtgärten», sagt die MA 42 dazu.
Reithofferpark.
Das Areal an der Westbahn nahe der Schmelz ist ein natürliches Grätzlzentrum, eingebettet zwischen Märzstraße und Goldschlagstraße. Das neugestaltete Grünobjekt inmitten der rasterartigen Zinskasernen wurde in den 1990er-Jahren nach U3-Anschluss neu aufgebaut.
Hier im 15. Bezirk gibt es kaum Anonymität, eher soziale Kontrolle. Nachwuchs aus den umliegenden Soziokulturen haben hier ihr Revier, oder moderner ausgedrückt: ihr Hang-out. Alles familienfreundlich. Man kennt einander, schaut aufeinander, ist gemeinsam groß geworden, miteinander.
Und was haben wir da? Boxerrad zur Verbesserung von Kraft und Ausdauer, Beinpresse zur Stärkung der Gesäßmuskulatur, eine schaukelnde «Straßenbahn» für Stehvermögen und Gleichgewicht, ein Kugelspiel für das Zusammenspiel von Augen und Beinen sowie Tafeln für Gedächtnisübungen und Kopftraining. Von Ausdauer- und Kraftübungsstationen bis hin zu Hindernissen, die Gleichgewicht und Geschick der Park-Aktiven anregen. In allen Parks haben sich unterschiedliche Zonen herausgebildet. Stätten der Ruhe zum Chillen und Abhängen und Areale von gesteigerter Aktivität mit Spielflächen und Turnplätzen.
Helmut-Zilk-Park.
Die grüne Lunge des Sonnwendviertels, gleich hinter dem Hauptbahnhof mit immer frischer Zugluft. Der neue Park ist so groß wie zehn Fußballfelder. Neben einer Relaxzone mit Sonnensegel gibt es auch einen Motorikpark. Der ist patentrechtlich geschützt und dafür werden Lizenzen – wie in Wien üblich – nicht zu knapp bezahlt.
Unter den flächig bunt gescheckten Neubauten lädt das Bewegungsparadies zum Bewegen und Austoben ein. Geeignet für alle Altersgruppen und Fitness-Levels. Dennoch gilt eine Platzordnung, die neben Ulli Sima im dezent nordkoreanischen Imperatorenstil, prominent an vielen Tafeln plakatiert ist. Kinder unter 1,40 Meter Körpergröße dürfen die Geräte nur unter Aufsicht benutzen. Bei Nässe, Eis, Schnee, Frost und Gewitter dürfen die Geräte nicht benützt werden. Beschädigte Geräte nicht benutzen, und die Benutzung des Motorikparks erfolgt auf eigene Gefahr, und Eltern haften für ihre Kinder, und die Stadt Wien übernimmt keine Haftung für Unfälle jeglicher Art. – So weit, so klar. Warnhinweise zum Haftungsausschluss: Gewissheit über eigene medizinische Unbedenklichkeit vor Benutzung verschaffen. Überbelastungen an den einzelnen Geräten vermeiden.
Das neu angelegte Areal ist sieben Hektar groß. Es handelt sich um das größte innerstädtische Parkprojekt seit mehr als 40 Jahren. Noch ist es Work in Progress. Die Anlage ist schon in Beschlag genommen. Mütter mit Kindern haben ihren Freiraum schon gefunden. Sie wachsen mit. Nicht nur mit der Aufgabe, auch mit der Anlage. Was fehlt, sind die Schatten spendenden Bäume. Heuer war es heiß hier auf der freien Fläche. Weil der Park so groß ist, werden hier bald Innenminister Kickls Gäule einreiten, darauf gehe ich jede Wette ein.
Resümee:
Aktiv-Parks sind in den letzten Jahren schwer in Mode gekommen. Sie geben Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit und Koordination durch robuste, leicht zu bedienende und zu wartende Geräte. Es besteht zunehmend Bedarf, um die Mobilität für Stadtmenschen zu verbessern und/oder zu erhalten.
Geräte wie im Fitnesscenter – für Jugendliche, Erwachsene oder Senioren – ermöglichen ein Training im Freien. Die Nutzung fördert die Gesundheit, aber auch das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Community. Grätzl-Building also.