Seit 4. Oktober gibt es sie wieder: die Donnerstagsdemo
«Weil wir eine scheiß Regierung haben», sagt mir ein älterer Herr, auf die Frage, warum er hier demonstriere. Er stellt sich als Peter der Zornige vor. «Ich bin jede Woche hier, bis diese Regierung geht!» «Oder zumindest, bis wir die Burschenschafter aus der Regierung draußen haben», fügt Lilli, seine Begleiterin, hinzu. Ein paar Meter weiter erzählt ein anderer Demonstrant: «Ich würde mit der Regierung gerne das machen, was sie mit uns macht!» Rosa ist hier, weil sie es toll findet, dass es etwas gibt, wo man hingehen kann «gegen den vielschichtigen Schrott und die Angriffe der Regierung». Die Donnerstagdemo mache gute Laune und bestärkt, fügt die Frau hinzu.
Es ist also nicht nur Peter, der wütend zu sein scheint, sondern viele Menschen, die auf der Demonstration ihrer Wut Luft verschaffen wollen – aber auch Gefühlen der Ohnmacht, mit der sie die Entwicklungen des letzten Jahres beobachtet und erlebt haben.
Alternativen aufzeigen.
Seit 18. Dezember 2017 ist die neue, schwarz-blaue Regierung im Amt, und im Wochentakt produziert sie neue Vorschläge, welche die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößern, die Wirtschaft bevorzugen, Umweltschutzmaßnahmen untergraben, Fraueninitiativen die Förderungen streichen oder schlicht Sozialabbau befördern. Seit bald drei Monaten aber gibt es auch ein organisiertes Medium für alle jene, die des Still-Beobachtens leid sind, die ihre Ohnmacht in etwas Konstruktives verwandeln wollen.
Das zumindest ist der Plan der Initiator_innen der Versammlungen gegen die schwarz-blaue Regierung, die seit Oktober jeden Donnerstag durch die Straßen Wiens ziehen. «Unser Ziel ist natürlich der Protest gegen die rassistische, sexistische und Armut produzierende Politik der Regierung», erklärt Michaela Moser aus dem Organisationsteam (siehe dazu auch das Interview auf Seite 8, Anm.). «Der Widerstand soll Alternativen sichtbar werden lassen. Wir wollen zeigen, dass es bessere Ideen gibt, als das, was die Regierung macht.»
Dafür wird jede Woche ein anderes Thema ins Zentrum des Protests gestellt, eine andere soziale Bewegung zur Mitwirkung angeregt. So auch am ersten Donnerstag im Dezember: Anlässlich der UN-Klimakonferenz, die zeitgleich in Polen stattfindet, unterstützt die Organisation System Change not Climate Change die Donnerstagsdemo und gestaltet sie inhaltlich mit.
Rücktritt, aber mit 140!
Wabernde Bässe, silberne, luftgefüllte Riesenwürfel und viele Menschen in roten Anzügen: Kurz vor sieben Uhr schiebt sich eine Masse aus mehreren Tausend Menschen von Wien Mitte, über die Hintere Zollamtsstraße in Richtung Urania. Am Fronttransparent ist «Burn borders, not fossil fuels», also «Verbrennt Grenzen statt fossiler Energieträger» zu lesen. Viele weitere Schilder machen die Klimakrise zum Thema: «Züge statt Flüge» oder «Klimaschutz statt Dieselschmutz». Veronika, auch eine regelmäßige Besucherin der Donnerstagsdemos, findet Klimaschutz im Alltag besonders wichtig: «Weniger Fliegen», schlägt sie zum Beispiel vor. Auf ihrem selbstgebastelten Schild steht »Rücktritt, aber mit 140». Ihre Begleiterin, ebenfalls Veronika, erzählt, warum sie hier ist: «Was das Klima angeht, ist es fünf vor zwölf. Und ich bin traurig, dass die Regierung den Ernst der Lage nicht erkennt.»
Mittlerweile hat die Demonstration das Verkehrsministerium passiert und hält auf der Brücke zur Urania für eine Zwischenkundgebung. Nachdem die Sängerin Waldfee ein Lied gegen die Lobau-Autobahn zum Besten gegeben hat, erleuchten plötzlich bunte Fackeln das Dach des Ministeriums. An der Außenfassade entrollt sich, wie von Geisterhand, ein Banner mit dem Aufdruck: «FPÖVP aus dem Verkehr ziehen. Klimagerechtigkeit jetzt!» Die Menge jubelt. Später wird System Change not Climate Change twittern: «Wir sind mit der Erde #fixzusammen! Lasst uns aktiv werden und von der Politik mutige Lösungen einfordern!»
«Fix zam».
Bei den Donnerstagdemos soll zum Ausdruck kommen, dass niemand alleine ist mit ihrer Ablehnung der Regierungspolitik, so Michaela Moser. Sie ist eine der Initiator_innen der Demonstration. Es gehe darum, zusammenzustehen, um dieser Politik etwas entgegenzusetzen. «Mit unserem Slogan ‹Fix zam› wollen wir Solidarität ausdrücken, mit allen, die von dieser Politik betroffen sind.» Es werde jede Woche versucht, auf aktuelle Entwicklungen in der Politik einzugehen. Auch zukünftig wolle man sich bei der Demo mit Arbeit, Bildung oder Wohnen beschäftigen. «All die Themen, die jetzt auf eine Art betrieben werden, wie es vielen Menschen ein gutes Leben verunmöglicht», so Moser. «Die Zerstörung durch die Regierung ist leider sehr breit angelegt.» «Fix zam» zu sein, sei daher jetzt besonders wichtig, weil die Regierung eine Politik der Spaltung vorantreibe. «Ärmere werden gegen noch Ärmere ausgespielt, siehe Mindestsicherung. Da muss man was dagegen machen», so Moser.
Ende Dezember geht die Donnerstagsdemo in eine kleine Weihnachtspause. Ab 10. Jänner kann man aber wieder «#fix zam» sein mit allen, die unter der Politik der schwarz-blauen Regierung zu leiden haben.