Zack zack zacktun & lassen

Sachbuch: Ibiza gedruckt

Von der versteckten Kamera zum Rücktritt einer ganzen Regierung: Die Journalisten der Süddeutschen Zeitung, Frederik Obermaier und Bastian Obermayer, veröffentlichen mit Die Ibiza-Affäre das Tagebuch zu ihrer Enthüllungsarbeit. Darin steht alles von der ersten kryptischen Nachricht, dass es kompromittierendes Material über einen Politiker gebe, über B-Movie-artige Geheimtreffen, um das Video zu sehen, bis zum Tag X, an dem die Druckerpressen anlaufen und Österreich ins Wanken gerät. Parallel dazu berichten Obermaier/Obermayer «live» aus Ibiza: Wir sind dabei, als Gudenus und Strache mit der «Oligarchennichte» ein erstes Gläschen trinken, ihr schließlich die Krone anbieten und ein paar Strabag-Aufträge gleich dazu, wie sie über Wasserprivatisierung sinnieren und den Unterschied zwischen Vereins- und Partei­spenden erklären.
Am Ende hat man den Eindruck, die beiden SZ-Journalisten haben nicht nur eine der unglaublichsten österreichischen Aufdeckerstorys recherchiert; sie haben auch selbst eine Crashkurs im Fach «Österreich» gemacht. Schier fassungslos lässt sie zurück, dass Strache wenige Tage nach seinem Rücktritt – jetzt erst recht! – das Comeback vorbereitet. Dass Noch-Kanzler Kurz so tun darf, als hätte er nicht gewusst, mit welchen politischen Vollhorsten (wie der Deutsche den Trottel zu nennen pflegt) er regiert. Dass, wenn Heinz-Christian verhindert ist, halt seine Partnerin Philippa Strache sich um ein politisches Amt bewirbt. Und dass sich das ganze Land am meisten dafür interessiert, wer denn nun das Video gedreht hat: Jan Böhmermann? Tal Silberstein? Der Mossad? Die ÖVP? Sie hätten, schreiben die Autoren, bald verstanden: «Der von uns aufgedeckte Skandal mag Straches Verhalten auf Ibiza gewesen sein. Die große Sensation aber ist die Frage: Wer war es? Wer hat ihn reingelegt?»
Der Blick auf Österreich, dieses Land mit seiner witzigen, schwer verständlichen Sprache und den leckeren Mannerschnitten, nervt zwar wie immer; schließlich geht es hier nicht um den neuesten Wolf Haas, sondern um einen der grausigsten Politskandale der Zweiten Republik. Aber die Fassungslosigkeit der beiden Journalisten ist mit das Beste an dem ganzen Ibiza-Buch: Sie bricht mit dem heimischen Schulterzucken, mit dem Is-hoid-so und der verloren gegangenen Kompetenz, die korrupte Schlagseite der österreichischen Politik als das wahrzunehmen, was sie ist: verbrecherisch.

Frederik Obermaier, Bastian Obermayer:
Die Ibiza-Affäre. Innenansichten eines Skandals
Kiepenheuer & Witsch 2019
270 Seiten, 16,50 Euro

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