Zeit für bessere Schuletun & lassen

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Hakan ist durch die Hauptschule gekommen. Irgendwie. «Ich weiß nicht, was ich dort gelernt hab», murmelt er, während sein Kugelschreiber über ein bereits zur Hälfte beschriebenes Blatt Papier flitzt. «Englisch, Mathe keine Ahnung. Viele Noten waren geschenkt. Ehrlich.»

Hakan lernt jetzt an der Handelsschule in der Wiener Margaretenstraße. Mehr als neunzig Prozent der Jugendlichen an der Schule kommen aus den umliegenden Vierteln mit abgewohnter Bausubstanz, vielen Zugewanderten, zahlreichen Arbeiter_innenhaushalten. Die Probleme sind seit Jahren die gleichen: Schüler_innen bringen keine Hausübungen, haben zu Hause keinen Arbeitsplatz, kein Material, keine Jause, die Eltern sind beide berufstätig und können bei den Hausübungen nicht unterstützen. Viele brechen ab und machen mit der Schule nicht weiter. Karl Pleyl und andere Pädagog_innen der Margaretenstraße kennen die Situation. Und das seit Jahrzehnten. Zu beobachten war in den letzten Jahren, dass immer mehr »Ausländerkinder« an die höheren Schulen drängen. «Man könnte aber auch sagen: Es kommen mehr Arbeiterkinder, denn das ist an unserer Schule der Fall», so Pleyl. Die Schüler_innen stammen fast alle aus Arbeiter_innenhaushalten mit geringem Lohn und schweren Tätigkeiten.

 

Hakans Schultag geht neuerdings bis fünf am Nachmittag. Ein Drittel der ersten Klassen wird als Ganztagsschule geführt. Unterbrochen wird der Tag von einer Mittagspause, kreativen Workshops, einer zusätzlichen Sportstunde und Übungs- bzw. Lernstunden inklusive Zeit für Hausübungen. Das Besondere sind zusätzlich Teambildung in der ersten Klasse, Förderkurse für Französisch und Rechnungswesen, die Vorbereitung auf das österreichische Sprachdiplom, Projektarbeiten wie zum Beispiel die Teilnahme an einem Fotowettbewerb. Und genau diese Klassen liegen immer im Spitzenfeld der Leistungsergebnisse. Pleyl sagt dazu: «Es gibt da einfach mehr Zeit.» Mehr Zeit zum Kennenlernen, mehr Zeit zum Austauschen, und auch Zeit zum gemeinsam Mittagessen. Nicht zu vernachlässigen sei auch noch ein anderer Aspekt. Es gibt mehr Struktur am Tag. Nachdem die engagierten Lehrer_innen die Arbeitszeit auf den ganzen Tag aufgeteilt hatten, stellten sich allerlei überraschende Entwicklungen ein. Die Quote der erledigten Hausaufgaben stieg rasant, Anwesenheit und Pünktlichkeit der Schüler_innen waren wie ausgewechselt, und die Aufmerksamkeit wuchs. «Es geht um Mutmachen, um Aufwerten, um Stärken», fasst Pleyl den erfolgreichen Ansatz zusammen. »Anerkennung ist zentral. Und dann kann man auch was erreichen.»

Zorica hat an der Margaretenstraße Matura gemacht und studiert jetzt. Am Nachmittag kommt sie in den Unterricht. Da werden die Klassen geteilt und wird gemeinsam gelernt. «Rolemodels» nennt Karl Pleyl das Konzept. Schaut her, ich war auch mal da, und so kann es gehen! Zorica ist es ein Anliegen, zu vermitteln, dass «zwei ganze Sprachen mehr bringen als zwei halbe». Viel zu viele Hauptschulabgänger_innen plagten sich allein mit Deutsch herum, sagt Zorica: «Wer das bestreitet, schaut weg.» Ihre Kompetenz der Mehrsprachigkeit mit Deutsch und Serbokroatisch ist ein großes Geschenk für die Klasse. «Es gibt da einfach mehr Zeit», sagen die Pädagog_innen. Gute Zeit braucht es für die Jugendlichen. Höchste Zeit ist es aber für eine andere, bessere Schule.

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