Augustin 271 - 03/2010
Es kommt darauf an, WAS verpfiffen wird
Whistleblower sind Verpfeifer. Der englische Begriff ist positiv besetzt. Er meint mutige Menschen, die als Insider Missstände aufdecken, zumeist anonym, um sich vor der Rache der Ertappten zu schützen. Hierzulande sind dieses Wort und seine positive Bedeutung ungebräuchlich. Menschen, die aus sozialem oder ökologischem Gewissen interne Informationen weitergeben, um die Öffentlichkeit über unsoziale oder umweltschädliche Machenschaften aufzuklären, werden gerne als «ihre Kollegen verpfeifende» Widerlinge denunziert.Jüngst haben Beamte der deutschen Steuerfahndung Korruptions-Situationen in ihrer Behörde entlarvt. Sie haben das Land mit Informationen geschockt, wie sehr die CDU-FDP-Regierung vermögende Steuersünder schont, zum Nachteil des öffentlichen Haushalts. In Deutschland ist nun ein Whistleblower-Netzwerk gegründet worden, damit Menschen mit Zivilcourage endlich eine Lobby kriegen (www.whistleblower-net.de). In Österreich ist der grüne Abgeordnete Steinhauser mit parlamentarischen Anträgen abgeblitzt, Whistleblowing im Arbeits- und Beamtendienstrecht vor Sanktionen zu schützen und im Rahmen der Volksanwaltschaft eine Hotline als Anlaufstelle für TrägerInnen brisanter Infos einzurichten. Vermutlich wäre die Generaldirektion der Post AG nicht unfroh über das Scheitern der Whistleblower-Initiative, muss sie sich doch über MitarbeiterInnen ärgern, die ausplaudern, was sie nicht dürfen: z. B. wie sehr es in den «Karriere- und Entwicklungscenter» (KEC) gärt, in denen für hunderte «überflüssig» gewordene PostbeamtInnen das Wort Karriere neu definiert wird: für siebenhundert Euro weniger Lohn pro Monat bei der Polizei anfangen (Seite 5).
Weil wir im vergangenen Dezember vergessen haben, unsere journalistischen Weihnachtswünsche bekannt zu geben, dürfen wir uns an den Osterhasen wenden: Bitte beschere uns Whistleblower-Anrufe aus den geheimen Innereien der Seethaler-Verfolgungsmaschinerie in Justiz und Exekutive, der amerikanischen Kriegsführung in Afghanistan, den Führungsetagen der Zeitungsverlage und der Großgrundbesitzverwaltung des Chorherren-Stiftes Klosterneuburg! Unsere Beiträge über die Floridsdorfer Grundstücksverwertungspläne des Stiftes Klosterneuburg (Seite 18), über den Qualitätsverlust in Qualitätszeitungen (Seite 16) oder über die ungebrochen kafkaeske Dauerschikane der Bürokratie gegen den «Zetteldichter» (Seite 28) hätten mithilfe der Insiderinformationen von «Nestbeschmutzern» noch spannender sein können!
Übrigens, kennen Sie die These, dass die bekannten Revolutionen der Menschheitsgeschichte nicht so sehr durch die Unzufriedenheits-Explosionen von unten, vielmehr durch «Klassenverrat» von Mitgliedern der Eliten initiiert wurden, die wegen ihrer privilegierten Position das Werkl als Erste durchschauen konnten? Dass es also NestbeschmutzerInnen und Whistleblower braucht, um das Alte zum Sturz zu bringen? Aber nicht weitersagen wir kriegen sonst nie ein Gesetz zum Schutz der «Verpfeifer»!