Augustin 274 - 05/2010
Wir meinen es gebrochen ernst...
Vielleicht können Sie sich an die Cover-Illustration der vorvorigen Nummer erinnern. «Fat Princess, die superdicke, weil gemästete Prinzessin, ist Figur eines von einer Amerikanerin entwickelten Strategy Video Games, das als Gegenmodell zu den maskulinen, an Killerinstinkte rührenden Military-Spielen konzipiert war. Aber ist nicht auch das Mästen eines Menschen (spielimmanent verfolgt dieses den Zweck, die Flucht der Prinzessin aus der Gefangenschaft zu erschweren) eine brutale Handlung? Und warum muss die Prinzessin nackt sein?Weil man im Kampf der Waren, in dem das Prinzip «sex sells» gilt, Eyecatcher braucht? Rund um die Figur der Fat Princess ist in den USA unter bewegten Frauen Streit entstanden. Die einen werfen seiner Erfinderin die Verinnerlichung des patriarchalen Frauenhasses vor. Die anderen amüsieren sich. Die Angelegenheit war also ausreichend uneindeutig. Die Redaktion, journalistischen Gratwanderungen immer zugeneigt, entschied sich vor allem aus diesem Grund für dieses Cover. Es sollte auf den Beitrag unserer Mitarbeiterin Ute Mörtl über die neugegründete Fraueninitiative «ARGE Dicke Weiber» hinweisen. Die uns bekannte US-Kontroverse ließ uns hoffen, dass die Figur auch unter Augustin-LeserInnen als Provokation, im guten oder schlechten Sinn, fungieren könnte. Die große Aufregung blieb aus nur Aktivistinnen der ARGE Dicke Weiber sahen den Augustin auf das sexistische Niveau der Kronen Zeitung gesunken (siehe ihr Statement auf Seite 3). In der folgenden Diskussion in der Augustin-Redaktion fiel seitens der ARGE-Delegation der Vorschlag, wir hätten besser die Venus von Willendorf zur Coverfrau machen sollen das hätten sie akzeptiert. Als ob nicht auch die Abbildung dieser berühmtesten österreichischen Nackten aus der Steinzeit ambivalent wäre, als ob es nicht ganz auf die Zusammenhänge ankäme, in die das Bild gestellt wird. Als das Naturhistorische Museum im Jahr 2008 für ihre Venus-Ausstellung warb, stellte «diestandard.at» fest, dass «eine der ältesten Frauendarstellungen der Welt von voyeuristischen Dummköpfen auf das Gemeinste entweiht wird () Den halben Sommer über war sie zu sehen. Und leider nicht zu übersehen. Großflächig an jeder Ecke Wiens plakatiert. Seziert. Zersplittert in die für einen weiblichen Körper als maßgeblich erachteten Teile. Brüste, Bauch, Vulva, Po. In Großaufnahme.» Fat woman aus der Wachau, nackt wie Granit, auf einem Augustincover: welche Reaktionen hätte d i e s e Wahl ausgelöst? Wir haben den Aktivistinnen der ARGE Dicke Weiber gesagt, ihre mutige Selbstbezeichnung habe uns auf einen selbstironischen Stil schließen lassen. «Damit wir über uns lachen können, dazu gibt es uns erst zu kurz», lautete die verneinende Antwort. Für uns ist nachvollziehbar, dass das Augustin-Cover von manchen als Bedienen voyeuristischer Neigungen und als Bestätigung des «Sollen-sie-doch-weniger-essen»-Klischees wahrgenommen wird. Die Persiflage ist, wie die Selbstironie, immer am Grat zuhause. Eine Menge Zuspruch, den wir ernten, bezieht sich auf die gebrochene Ernsthaftigkeit unseres Journalismus. Nicht immer brechen wir sie auf die feinste Art.