Augustin 277 - 06/2010
Good News für Freunde des Schlaglochs
Unter den modernen Industriegesellschaften sind nicht die reichsten Gesellschaften die gesündesten, sondern diejenigen mit den geringsten Unterschieden zwischen Arm und Reich. Sagt der Londoner Epidemiologe Richard Wilkinson. Er richtet seine Neugier nicht nur auf die Gesundheits-Aspekte der Ungleichheit. «In Gesellschaften mit größerer Ungleichheit fällt besonders das Vertrauensniveau geringer aus», zitiert Wilkinson aktuelle Studien. Menschen seien weniger dazu bereit, anderen zu vertrauen. Und die Beteiligung an der Gemeinschaft sei geringer. Die ÖsterreicherInnen vertrauen einander wenig, im Vergleich mit den SkandinavierInnen. Wir spürten es. Nun hätten wir eine Erklärung dafür, die wert ist, durchdacht zu werden. Für den Augustin war Wilkinsons Referat das «Aha-Erlebnis» der jüngsten «Armutskonferenz» in Salzburg. Die LeserInnen werden das nachempfinden können, nach der Lektüre unseres Gesprächs mit dem britischen Wissenschaftler (Seite 10).Detto sind die ÖsterreicherInnen keine Selbstvertrauensweltmeister. Menschen mit geringem Selbstvertrauen tun sich schwer mit der Zivilcourage, noch schwerer mit zivilem Ungehorsam. Optimismus in dieser Hinsicht verbreitet ein Beitrag über die in letzter Zeit vermehrten Versuche couragierter BürgerInnen, die Abschiebung von Flüchtlingen zu sabotieren speziell dann, wenn sie von den Integrationsfortschritten des konkreten Abschubgefährdeten wissen (Seite 6). Die Revolte im Studentenheim Döbling für die Rettung desselben (Seite 9) oder der fantasievolle Widerstand gegen eine Park-Verbauung, der dank der Initiative einer Malerin (Seite 24) eine bisher einmalige Identität von Kunstaktion und BürgerInneninitiative stiftete das alles sind really good news in Zeiten des befürchteten Paralysierens des Volkszorns durch die Strache-Politik.
Stichwort fantasievoller Widerstand. In einem Kaffeehaus stolperte ich mit den Augen über die folgende, für sich genommen höchst seltsame Interviewpassage. Frage: Was sagt Ihre Familie, was sagen Ihre Freunde dazu, dass Sie Loch-Pate sind? Antwort: Ich habe es bisher nur meiner Frau erzählt. Sie hatte nichts dagegen und freut sich inzwischen auch drüber. Frage: Schenken Sie Ihrer Frau auch ein Loch? Antwort: Nein, ich denke nicht. Mein Loch ist ja jetzt auch ihr Loch. Also unser Loch. Weiterlesend staunte ich, wie man mit Schmäh, aber doch sehr hilfreich gegen den Sparkurs der Regierungen agieren kann, die sich das Geld, das sie den Banken zuschoben, jetzt auch von den Gemeinden holen. Weil die Gemeinde Kumhausen in Bayern kein Geld mehr hat, die Schlaglöcher in ihren Straßen zu stopfen, können BewohnerInnen für 30 Euro Loch-Pate werden. Für das Geld wird das Loch gefüllt, der Spender, die Spenderin kriegt eine Urkunde. Die Aktion soll den Zusammenhalt der Menschen gefördert haben. Und das gemeinsame Nachdenken darüber, wie aus dem Gag des Schlagloch-Sponsorings die wirklich revolutionäre Idee wächst, die Bahn so attraktiv zu machen, dass die Schlaglöcher als Bremsen des antiökologischen Autoverkehrs offen bleiben können. Aber das ist schon ein anderes Thema. Ein Schwerpunktthema der nächsten Ausgabe übrigens.