Augustin 289 - 01/2011

Österreich isst und ist

Fred I. ist langjähriger Zeitungsverkäufer beim Augustin. Er kommt aus Nigeria, wie die meisten seiner schwarzen KollegInnen. Ich erwähne die Hautfarbe an dieser Stelle nicht, weil sie noch irgendeine besondere Rolle spielte in der informellen Hierarchie der Augustin-KolporteurInnen. Offensichtlich spielt sie noch eine Rolle für die beamteten Bewahrer der sicheren Straßen in Wien.

Fred I. nahm am 11. Dezember in einem netten Lokal im Stuwerviertel an der Weihnachtsfeier der Augustin-VerkäuferInnen teil. Zwischen 22 und 23 Uhr wurde er beim Nachhauseweg am Praterstern von Polizisten angehalten. Laut Fred ging es den Sicherheitsbeamten um nichts anderes als um die Auskunft, was er denn um diese Zeit hier am Praterstern zu suchen hätte. Der Afrikaner erklärte, dass er gerade von der Augustin-Weihnachtsfeier gekommen sei, und zeigte als Beweis das Geschenk, das er vom Augustin erhalten hatte (jede/r VerkäuferIn bekam ein F13-T-Shirt).Er wurde dennoch aufs Kommissariat mitgenommen, musste dort noch weitere Fragen beantworten und durfte erst nach einer Stunde wieder gehen. Fred hat uns nichts über die Art und Weise der Einvernahme oder Anhaltung berichtet, auch nicht von irgendeiner Strafverfügung, es ging ihm um die Tatsache, dass er ohne einen ersichtlichen Grund als hätte er kein Recht, sich auf einem öffentlichen Platz um irgendeine Zeit aufzuhalten angehalten und verhört wurde. So nahm für Fred diese Weihnachtsfeier ein unschönes Ende.

Polizeikontrollen scheinen in den Alltag spezieller Gruppen unserer VerkäuferInnen derart integriert zu sein, dass diese solche Gesten des Unwillkommenseins als gewöhnlichen Bestandteil der Wiener Ausprägung der «Festung Europa» sehen. Sie machen nicht viel Aufhebens davon: Sie sind Roma oder sie sind Afrikaner, also «natürliche» Objekte der Überwachung. Sie sind «Unsicherheitsfaktoren».

Einer der engagiertesten Kämpfer gegen das «Prinzip Festung» war Peter Kreisky. Er starb während seines Weihnachtsurlaubs auf Mallorca. Zwei Texte widmen sich diesem bescheidenen, «stillen Revolutionär» (Seite 8 und 9). «Prinzip Festung» meint auch: Für das Kapital gibts keine Grenzen, diese sind nur für die Menschen gedacht. Raiffeisen fühlt sich dementsprechend wohl auf dieser Festung, zumal diese Gruppierung in dem Maße, in dem sie sich die Medien einkauft von der Kritik in Ruhe gelassen wird. Nur den Augustin kriegt sie nicht, weswegen wir unsere Raika-Watching-Serie munter fortsetzen können: «Österreich isst Raiffeisen» ist der Titel zu einem Beitrag über die Monopolstellung der Bankengruppe im Nahrungsmittelbereich (Seite 6). In «altlinker Tradition», so würde Kollege Hans Rauscher sagen, ließen wir auch die S-Reduktion in diesem Titel zu: Österreich ist Raiffeisen. In dem Sinn, dass Politik als Interessensvertretung der Wirtschaftselite verstanden wird. Und weil das wohl stimmen mag, sind die Gefängnisse dieses Landes nicht für die großen Wirtschaftskriminellen gedacht. Sondern als «totale Institutionen» des Ausschlusses: Sie produzieren durch Stigmatisierung eine Randschicht, die Randschicht bleibt. Ein erschütternder Häftlingsbrief aus Stein an der Donau zeigt, wie das konkret funktioniert (Seite 12).

Vermögenssteuer auf Arme

eingSCHENKt

In der Steiermark wird der Regress in der Sozialhilfe und in der Pflege wieder eingeführt. Das wirkt wie eine Vermögenssteuer auf Arme und die Mittelschichten. Während vermögensbezogene Steuern als Beitrag der obersten, reichsten 10 Prozent nicht ein… weiterlesen

Reisen

Gedicht

Über Weiz
in die Schweiz,
mit einem Anorak
in die Camargue,
auf Knackwurst in Essig und Öl
nach Gföhl,
mit einem Bleistift
nach Neustift am Wald.
In den Jemen
irgendwas mitnehmen,
Dehnungsübungen
in Thübingen,
in einem Kondom
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Die jungen Wilden Argentiniens

Entdeckungen: Félix Bruzzone und Damián Tabarovsky

Félix Bruzzone, Jahrgang 1976, beschäftigt sich als Sohn so genannter «Verschwundener» intensiv mit dem Schicksal von Waisen der Militärdiktatur. Damián Tabarovsky rechnet in seinem neuesten Roman mit der neoliberalen Ära Argentiniens ab. Der Augusti… weiterlesen

Einladung zum Tanz

Manfred Pernice in der Secession: Ein große Schau des Schauens

Betritt man die Ausstellungshalle der Secession, kann man leicht das Gefühl von Überforderung bekommen. Eine Menge rätselhafter Objekte. Sie scheinen lapidar zusammengewürfelt aus Versatzstücken privater Lebensgeschichte, gewöhnlichen kleinbürgerlich… weiterlesen

In der Dusche mache ich ihn fertig

Auch in «Mörder»-Briefen wird fündig, wer das Archaische im Strafvollzug bekämpft

Häftlingsbriefe lesen heißt beobachten, wie der Staat Rache ausübt an Menschen, die einmal ausgerastet sind und etwas Unverzeihliches taten. Nach der Lektüre vieler solcher Häftlingsbriefe (ob die darin enthaltenen Schilderungen im Einzelnen auch sti… weiterlesen

Österreich isst Raiffeisen

Konrad macht den Zucker Aspekte der Raiffeisen-Dominanz (Teil 6)

Wenn an dem Kalauer etwas dran ist, dass der Mensch ist, was er isst, dann erscheint in jedem Österreicher, in jeder Österreicherin Raiffeisen. Niemand kommt in diesem Land bei der Nahrungsaufnahme um Produkte aus dem Reich des Giebelkreuzes herum. Z… weiterlesen

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