Augustin 303 - 09/2011
Zundgeld, Joints, Sofiensäle...
Wenn mir fad ist, und das kommt jedes Jahrzehnt einmal vor, stöbere ich in Parlamentsprotokollen. Beim Studium der Budgetdebatte im Parlament, 3. Dezember 1980, stieß ich auf den Begriff des Zundgeldes. Das ist das Geld, das die Polizei für heiße Tipps in der Rauschgiftszene braucht. Die ÖVP regte sich mächtig über die Sparpolitik in Angelegenheit des Zundgeldes auf. Hier zum Beispiel die Ausführungen des Nationalratsabgeordneten Lichal:
«Seit eineinhalb Jahren hat der Bundesminister versprochen, es wird eine Suchtgifttruppe aufgebaut, es werden Undercovers, verdeckte Fahnder, eingeführt und alles das mehr. Zum so genannten Zundgeld haben Sie auf meine wiederholte Frage erklärt, entsprechende Ansätze sind im Budget vorhanden. Herr Minister, Sie kennen das nicht, ich sage es Ihnen noch einmal, schauen Sie es sich an: Zundgeld. Für einen heißen Tipp in der Rauschgiftszene brauchen Sie Geld, denn sonst bleibt der in der Szene, weil er ja beim Handel mehr verdient, da wird er nicht der Exekutive einen Wink geben, daher muss man dort Geld zur Verfügung haben. Sie haben zwar ein Vorzeigegeld, das man jemandem hinzeigen kann, Sie haben aber kein Geld, auch für einen Tipp zu zahlen, denn wenn für ganz Wien monatlich 2000 Schilling tatsächlich zur Verfügung stehen, dann ist das ein Hohn, dann kann die Öffentlichkeit sich nicht damit zufrieden geben. (Beifall bei der OVP.) Und dass bei Veranstaltungen heute in Wien schon vielfach offenkundig Rauschgift genommen wird, das kann der Gesundheitsstadtrat von Wien bestätigen. Wir haben an einem Benefizkonzert in den Sofiensälen teilgenommen, und es war eindeutig festzustellen, dass ein Teil der Anwesenden, wie es in diesem Jargon heißt, breit waren oder voll waren, und Sie haben dann offen auch so genannte Joints das sind Haschisch-Zigaretten angeboten, auch uns selbst angeboten. Und nichts ist passiert!».
Ist mir dann immer noch fad, versuche ich, Erkenntnisgewinne aus dem Gelesenen zu ziehen, denn als Lart pour lart ist mir die Lichal-Rede doch zu «gscheadasiatisch» (Ausdruck unserer «Stimmgewitter Augustin»-Diva Heidi Gross für provinziell). Was also sagt uns diese Rede? Erstens: Die Drogenprohibition funktioniert nicht. Ein heutiger Lichal bräuchte das Wort «Joints» nicht mehr zu übersetzen, denn was Hunderttausende rauchen, kann kein Fremdwort mehr sein. Ein zukünftiger Lichal wird sich in 30 Jahren ärgern, in der Parlamentskantine dem Duft der illegalen Joints nicht entgehen zu können. Zweitens, und das ist wohl das Interessantere: Im Sinne der wünschenswerten Entkriminalisierung von Marihuana-Gebrauch und Marihuana-Handel wird das Zundgeld obsolet. Der Einsatz von Zundgeld wird aber dort interessant, wo es um lebensbedrohende Kriminalität geht. Dass die Staaten am ersten Höhepunkt der aktuellen Krise den Finanzbossen Zundgeld in Milliardenhöhe gaben, um an Insiderinformationen über die Methoden der Vermögenden heranzukommen, wie sie sich in der Krise bereichern, finde ich vom Ansatz her genial gehandelt, in der Höhe aber maßlos. Oder habe ich den Zweck der staatlichen Milliarden, die an die Banken flossen, nicht richtig kapiert?