Augustin 308 - 11/2011
Bernhardsche Verkrümmungen
Gut, dass NEID für uns Intergalaktiker_innen ein germanisches Fremdwort ist. Vielleicht würden wir andernfalls vor lauter Neid zerplatzen, wenn wir sehen, wie viele Leser_innenreaktionen ein halbwegs interessanter Text im Online-Standard auslöst. Zum Beispiel Herrmann Sussitz‘ Bericht von der AUGUSTIN-Pressekonferenz über die Raiffeisen-Dokumentation von AUGUSTIN TV und über die Endlos-Serie zur nicht ganz koscheren Monopolmacht Raiffeisens und zur noch unkoschereren Verschmelzung von Bank und Politik.
Der Neid des kleinen Augustin auf den großen Standard sei in diesem Fall auch gar nicht angebracht, beruhigen uns Online-Standardleser_innen. «Der Standard berichtet darüber, dass man beim Augustin guten Journalismus betreibt. Auf die Idee, so etwas selber zu machen, kommt man offenbar nicht. Schließlich gibt es die APA», lautet ein sarkastisches Posting. Jeder vierte Leser_innenkommentar ein Kompliment: «Der Augustin ist in der Tat eine der ganz wenigen Zeitungen, die noch lesenswert sind. Frisch, mutig, aktuell, sogar philosophisch niveauvoll, keine Scheu, das anzupacken, was zunächst unangenehm ist. Eigentlich ein Armutszeugnis für die so genannten Qualitätszeitungen, dass eine Straßenzeitung den Job übernehmen muss, zu dem diese aus Feigheit und Trägheit unfähig geworden sind.» Ähnlich höflich: «Danke an Augustin. Wenn nur eine Low-Budget- & Obdachlosenzeitung es sich traut aufzumucken, ist es schon bedenklich genug. In Oberösterreich gilt der Raika-Chef als inoffizieller Landeshauptmann, diese Reinkultur korrupter Machtverhältnisse wird auf jedem Event offen zur Schau getragen. Sachliche Kritik ist nicht gestattet, jeder hat Angst sich mit der Bank anzulegen, man spricht nur hinter vorgehaltener Hand über die Fehlleistungen des Konzerns.»
Zum spezifischen Klima des Neofeudalismus in Oberösterreich haben die Bankenkritiker_innen einiges zu sagen: «Da herrscht eine miasmatische Furcht vor diesem (Raiffeisen-Landeschef, Anm.) Ludwig Scharinger, eine Thomas-Bernhardsche Verkrümmung jeglicher eigenen persönlichen Regung in einem Dunst weißweingeschwängerter Sauschädl-Pandämonien, dass einem das Kotzen kommen mag.»
Naturgemäß liegt nicht jedem Posting ein Respekt vor dem gegen Goliath kämpfenden David zugrunde. Lagerpolitische Einäugigkeit wirft uns dieser anständige Bürger vor: «Und warum hat der gute Augustin nicht die BAWAG oder die Bank Austria analysiert? Ah so, das sind ja ehemals tiefrote Banken, die mittlerweile internationalen Finanzheuschrecken gehören. Na dann ist ja alles klar …» Die Antwort kommt postwendend, und sie ist so treffend, dass sich der Augustin seinerseits zurück halten kann. «Weil eine Bank Austria oder BAWAG nicht einmal annähernd soviel Macht und Einfluss in der Politik besitzt.»
Vielleicht ist es übertrieben, von einer internationalen Beachtung des Raiffeisen-Watching-Projekts zu reden. Aber eine Stimme aus dem nahen Ausland wollen wir dem Augustin-Publikum nicht vorenthalten. In Serbien regiere Raiffeisen vermittels Bankenmonopol nicht nur über das politische System, sondern auch über den Musikbetrieb. Zum Beweis sandte der Mann folgenden Link an den Augustin. Lautes Lachen erhob sich in der Augustin-Redaktion angesichts des Videos, aber auch die Vermutung, es könnte sich um Ironie handeln (was nicht der Fall ist, wie uns der in Wien lebende Philosoph Ljubomir Bratic hoch und heilig versicherte).
Sehen Sie selbst: www.youtube.com/watch?v=eCuOPH1Jwi4&feature=related