Augustin 315 - 03/2012
Die Placebo-Politik des Schneeräumens
Mit dem ersten ernst zu nehmenden Schneefall wurde ein politisches Versprechen aus dem letzten Winter in die Tat umgesetzt: Die Radwege wurden raschest vom Schnee geräumt und vom Eis befreit, damit sich das traurige Bild vom letzten Winter nicht wiederholt, wo Hauptradrouten nicht geräumt wurden oder gar mit den Schneemassen
von den Autofahrbahnen zugeschüttet wurden.Der massive Aufschrei der Schneeradler_innen, dass so etwas unter einer grünen Mitregierung nicht wahr sein könne, zeigte Wirkung: Diese Schmach, auf die winterlichen Ansprüche einer (vermeintlichen) Klientel vergessen zu haben, sollte sich mit dem ersten Schnee in den letzten Energieferien nicht wiederholen. (Vermeintliches Klientel deshalb, weil ich die Hypothese wage, dass Allwetterradler_innen die Grünen generell als viel zu zahm und zu sehr ans politische Establishment angepasst
betrachten und diese daher sowieso nicht wählen.) Nichtsdestoweniger ist am Beispiel Radwegräumung eine «grüne» Handschrift erkennbar, die dort aber auch schon
wieder endet nicht beim Radweg, sondern bei der Räumung, denn bei als Prestigeobjekten verkauften Radwegerrichtungen, wie die doppelte Fuhrung am Ring, ist sogar kurzsichtigen Radwegbenützer_innen klar ersichtlich, dass die Autolobby noch sehr, sehr mächtig ist, obwohl nicht einmal ein Drittel aller Alltagswege in Wien mit
dem PKW zurückgelegt werden. Diese aussagekräftigen Zahlen lieferte jungst der Verkehrsklub Österreich fur das Jahr 2011: 29 Prozent der Alltagsfahrten werden mit dem Auto zurückgelegt, somit 71 Prozent mit den Öffis, per Pedes oder per Velociped. Die letzte Gruppe aufgedröselt ergibt für die Öffis einen Anteil von 37 Prozent,
Fußwege 28 Prozent und schließlich einen Fahrradanteil von sechs Prozent. Im Verhältnis Fahrrad- zu Autoalltagsverkehr zieht Ersterer quantitativ (noch) eindeutig den Kürzeren. Aber vergleicht man die Zahlen zwischen Fuß- und Autoalltagswegen, erkennt man eine arithmetische Pattstellung, doch wie weit auf die Bedürfnisse der Fußgänger_innen eingegangen wird, erkennt man leicht daran, dass sie sich immer öfter ihre Bahnen mit jenen der Radfahrer_innen teilen müssen siehe Ring. Der Architekturkritiker Friedrich Achleitner hat die Überlegung in den Raum gestellt, ob der
Spagat möglich sei, schnelle Verkehrsmittel gänzlich unter die Stadtoberfläche zu verbannen, um über der Oberfläche wieder ein Flanieren zu ermöglichen.
Man muss diese Überlegung nicht weiterdenken, denn es würde bei der Frage enden, wer denn diese unterirdische Hochgeschwindigkeitswelt finanzieren würde wo doch schon ein Kilometer der neuen U1 (zur Freude der Bauwirtschaft) die Grenzen des kommunalen Haushalts deutlich macht. Und doch wäre diese Überlegung reizvoll: Das Winterradeln wäre ein fröhliches Treiben im Schnee auf urbanen, autofreien Straßen.