Augustin 326 - 08/12
Graufahren & Transparenz
Unsere Hamburger Schwesterzeitung «Hinz und Kunzt» präsentiert in ihrer jüngsten Ausgabe zwei Zahlen, die eine Stadt verändern könnten. Denn es handelt sich um Summen, die wenn mensch sie sich prüfend zu Gemüte führte einen Aufklärungsschub bringen könnten, was wiederum zu politischen Handlungen führen müsste. Es handelt sich um die Zahlen 4.460.000 und 519.Mehr als 4,6 Millionen Euro Kosten entstehen der Stadt Hamburg durch die Inhaftierung von Menschen, die wiederholt graugefahren sind. Wenn sie ihre Geldstrafe wegen «Beförderungserschleichung» nicht bezahlen, werden sie ins Gefängnis gesperrt. Erfahrungsgemäß sitzt ein_e Zahlungsunfähige_r im Schnitt zwei Monate Ersatzfreiheitsstrafe in seinem/ihrem Leben ab. Eine Haft kostet die Steuerzahler_innen laut deutscher Justizbehörde 149 Euro pro Hafttag und Person. 519 Menschen verbüßten 2009 wegen wiederholten Graufahrens eine Ersatzfreiheitsstrafe, ein Jahr zuvor waren es erst 377 gewesen. Aktuelle Zahlen lagen unseren Kollegas nicht vor. Sie wären nur «mit hohem Aufwand zu vermitteln», so die Justizbehörde. Für eine «Obdachlosenzeitung» lohnt sich offenbar der Aufwand nicht, aber das wäre ein anderes Thema. In Hamburg kostet auch die «ermäßigte Monatskarte» für Sozialhilfe-Empfänger_innen noch stolze 48,70 Euro.
An der Pädagogik der beiden Summen ist wenig zu deuteln. Unser aller Hausverstand sagt, dass die Füllung der tausenden «Zimmer ohne Aussicht» in den riesigen Gefängnissen mit ihren riesigen Beamtenapparaten eine der Ursachen für die Verschuldung der Öffentlichen Hand ist und dass die kontraproduktiv wuchernden Ausgaben nicht für irgendeinen vernünftigen öffentlichen Zweck ausgegeben werden, sondern für die Bestrafung von Menschen, deren «Kriminalität» nur darin besteht, dass sie nicht «im Geld» sind. Unser Hausverstand versagt lediglich bei der Klärung des Rätsels, warum wider besseres Wissen Gefängnisse für Gratisfahrer_innen errichtet werden. Für den Fall Wien: warum bei uns, analog zur saftig angehobenen Strafhöhe für Graufahren, auch die Ersatzarreststrafen verlängert worden sind.
Falls sich die Frage aufdrängt, warum wir anstelle der Hamburger nicht gleich die heimischen Wiener Zahlen recherchiert hätten: gebongt! Darauf wollten wir hinaus: In Wien kommt mensch an solcherlei Infos gar nicht erst heran. Schuld ist die historische Verwandlung der «Wiener Verkehrsbetriebe» in die ausgelagerten und nach privatwirtschaftlichen Kriterien geführten «Wiener Linien», schuld ist die Intransparenz der Stadtverwaltung, schuld ist die Geheimniskrämerei des Innenministeriums, dem nicht zu entlocken ist, wie viele Schwarzfahrer_innen in den Polizeigefängnissen sitzen. Hamburg ist gläserner! Dabei veröffentlichte die Straßenzeitung die erwähnten Zahlen noch v o r dem Inkrafttreten des bundesweit einzigartigen umfassenden Hamburger Transparenzgesetzes, das das bisher übliche «Amtsgeheimnis» in etwas Gestriges verwandelt. In etwas Gestriges vom Schlage Wiens.