Augustin 338 - 02/2013

Votivkirche entweiht?

Mit einem Frage- und Antwort-Katalog reagieren die beiden Hauptakteur_innen rund um die Votivkirchenbesetzung – einerseits die Flüchtlinge selbst und die sie unterstützenden Aktivist_innen (mit großteils nichtreligiösem Hintergrund), andererseits die Caritas Wien – auf das heftige Begleitrauschen, das aus Stammtischgerede, Mediendarstellungen und dem Senf, den Politiker_innen aller Couleurs dazugeben, besteht. Wir laden unsere Leser_innen zu einer vergleichenden Lektüre ein: http://refugeecampvienna.noblogs.org und www.caritas-wien.atEmpfehlenswert ist die Lektüre vor dem Hintergrund faktischer oder herbeigeschriebener und aus diesem oder jenem Interesse aufgebauschter «Spaltungen» der Bewegung für die Rechte der Asylwerber_innen. Die Caritas sei «Teil des Systems» und mache aus dem Schauplatz dramatischer Formen der Flüchtlingsselbstorganisation eine Arena der Selbstdarstellung, lautet ein Einwand von links, und der Standardvorwurf aus der Gegenrichtung bezieht sich auf die angebliche Instrumentalisierung der Flüchtlinge für linksradikale Gesellschaftskritik.

Die beiderseits um Aufklärung, um ein Verständnis für die Anliegen der Hungerstreikenden und um eine Zurückweisung fremdenfeindlicher Interventionen sich bemühenden Frage-Antwort-Kataloge relativieren das Bild von dem heillos zerstrittenen Minimundus, das sich seit Silvester 2012 in der Kirche entfalte, sehr. Sie stören auch das wegen seiner Simplizität von den Mainstreammedien ständig reproduzierte Klischee von «der guten Caritas und den bösen Chaoten».

«Warum passiert der Protest in einer christlichen Kirche und nicht in einer Moschee?» Da die Medien die Herkunft der Besetzer_innen – die meisten kommen aus muslimischen Ländern – rasch nannten, entstand diese Frage an den Wiener Stammtischen quasi wie von selbst. Antwort der Caritas: «Die Gruppe der Flüchtlinge hat sich zuerst in einem Camp im Park vor der Votivkirche aufgehalten. Als zu befürchten war, dass ihr Camp von der Polizei geräumt werden würde, haben sie sich in das nächstgelegene Gebäude, die Votivkirche, geflüchtet. Aus den Gesprächen mit den Menschen in der Votivkirche wissen wir, dass die Kirche ihnen einen letzten Schutz bietet, obwohl die Rahmenbedingungen alles andere als einfach sind.» Zusatzfrage: «Was würde geschehen, wenn Christen in einer Moschee so vorgehen würden?» Antwort: «Als Caritas Wien können wir nicht für die Muslime in aller Welt sprechen. Wir nehmen jedoch an, dass kein religiöser Mensch möchte, dass einem anderen Menschen in einem Gotteshaus Leid zugefügt wird.» Die zweite Zusatzfrage lautet, ob eine Kirche nicht entweiht werde, und die Antwort darauf ist die Bibelstelle Matthäus 25,35-36,40: «Denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt, und ihr habt mich bekleidet; ich war krank, und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis, und ihr seid zu mir gekommen … denn was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr für mich getan.»

Szenenwechsel. Im Mühlviertler Fremdenverkehrsort Bad Leonfelden regiert Alfred Hartl, ein Bürgermeister aus dem «christlichen Lager». Während die Mühlviertler Maya-Kalender-Kundigen augenzwinkernd vom Ende der Welt plauderten, sprach das VP-Stadtoberhaupt überhaupt nicht augenzwinkernd vom bevorstehenden «Ende von Bad Leonfelden». Er meinte, seine Stadt halte ein Heim für Asylsuchende nicht aus. Siehe Seite 14: Es gibt gottlob auch in Bad Leonfelden Menschen, die matthäusgerecht handeln. Obwohl einige von ihnen glauben, Matthäus sei eine deutsche Fußballlegende.

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eingSCHENKt

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