Augustin 345 - 06/2013
Jolie, Papst und 100 Krapfen
Dieser Tage kriegte ich eine Ausgabe der Südtiroler Tageszeitung «Dolomiten» in die Hände. Sie freute sich über die «Erfolge» der ÖVP bei den vergangenen Regionalwahlen, bewies ihren «Mut» zu Multikulti, indem sie einen Artikel in italienischer Sprache zuließ (einen einzigen, damit schlägt sie aber die «Kronen Zeitung», die kaum je einen Artikel auf Serbokroatisch publizieren würde), und sie enthielt eine Sachbuch-Bestsellerliste, die ich hiermit zum Thema dieser Rubrik erkläre.Darf ich zitieren? 1. «Credo – Ich glaube» von Bischof Ivo Muser, Athesia Verlag. 2. «Liebevoll erziehen» von Manuela Oberlechner, Athesia Verlag. 3. «So genießt Südtirol – 33 x Spargel» von einem Autor_innentrio, Athesia Verlag. 4. «So kocht Südtirol», dieselben Autor_innen, Athesia Verlag. 5. «100 Südtiroler Krapfen – Bäuerinnen verraten», Raetia Verlag. 6. «Krebsrisiko senken durch gesunde Ernährung» von Bernd Gänsbacher, Athesia Verlag. 7. So genießt Südtirol – 33 x Knödel» vom Autor_innentrio, Athesia Verlag. 8. «Der neue Papst» von Stefan Kempis, Herder Verlag. 9. «Aussaattage 2013» von Maria Thun, Eigenverlag. 10. «Papst Franziskus – Mein Leben, mein Weg» von Sergio Bergoglio und Jorge Mario.
Diese Reihung brachte meine vermeintlich hundertfach abgesicherte Gewissheit in Bedrängnis, dass man Bestsellerlisten nie trauen soll. Dass sie nie objektiv die realen Kaufwünsche des Publikums widerspiegelten; dass es Absprachen hinter den Kulissen gibt; dass die berühmte «Spiegel»-Bestsellerreihung überraschender Weise viele Autor_innen enthält, die zufällig für den «Spiegel» schreiben usw.
Selbst wenn es in unseren Breiten so wäre, dass in der Publikumsgunst Bücher mit hundert Krapfenrezepten oder mit Tipps für die Aussaat voranlägen – die tonangebenden Feuilletons der deutschsprachigen Teilwelt von der «Süddeutschen» zur «Frankfurter», vom «Spiegel» zur «Welt» würden das nie zugeben, denn sie passen absolut nicht ins Bild der Bildungsbürger_innen, denen die Feuilletons an den Leib geschneidert sind.
Schlussfolgerung: Die Ersteller_innen der «Dolomiten»-Bestsellerliste k ö n n e n nicht gelogen haben. Der Papst und der Krebs und die Rezepte – das ist es, was die Menschen interessiert. Der Augustin wird dieses Interesse kaum befriedigen können. Menschen, die ihn dennoch lesen, tun das gerade deshalb, weil er um die Entbrüstung der Angelina Jolie, eindeutig das Hauptthema der diversen Bevölkerungen in den letzten Wochen, einen großen Bogen macht. Und weil er aber ebenfalls nie ohne Knüller bleibt. Knüller des Monats: Der reichste US-Amerikaner verdiente vor zehn Jahren erst 62.000 mal so viel wie der Durchschnittsvermögende, im Vorjahr aber schon 1,5 Millionen mal so viel.