Augustin 353 - 10/2013
Warum Immobilien-Beilage?
Die Begegnung mit dem Raumplaner Reinhard Seiß und die Auseinandersetzung mit seinem Buch «Wer baut Wien», das vor sechs Jahren Furore innerhalb und außerhalb des Rathauses machte, leitete – wie wir rückblickend erkennen – eine intensivere Auseinandersetzung der Augustin-Redaktion mit dem Triumph neoliberaler Prinzipien auch im Wiener Städtebau ein.Unsere achtseitige «Immobilien»-Beilage aus eigener Fabrikation, Sie finden sie in der Mitte dieses Heftes, ist der bisherige Höhepunkt dieser Hinwendung zu all den Fragen, die damit zusammenhängen: Was um Gottes Willen zwingt die Gemeinde (die noch dazu vom weltreifen Ruf des «Roten Wien» der Zwischenkriegszeit zehrt) dazu, auf den kommunalen Wohnbau und auf dessen Voraussetzung, eine offensive Grundstückseigentumspolitik, gänzlich zu verzichten? Warum setzen sich jene, die das Bewahren öffentlichen Bodens als «veraltert» abtun, mit einer geradezu selbstverständlichen Leichtigkeit durch? Warum vernimmt man so gut wie keine oppositionelle Stimme im Rathaus, wenn die attraktivsten öffentlichen Bauflächen in Offstage-Handlungen der «Freunderlwirtschaft» an private Baukonzerne verscherbelt werden, sodass kommenden, hoffentlich weitblickenderen Volksvertreter_innen kaum Spielräume für mensch- und umweltverträgliche Stadtgestaltung verbleiben? Warum glauben ansonsten wenig mythenanfällige Menschen, dass es keine Alternative zur Privatisierung gibt? Warum führt die evidente Umverteilung öffentlicher Reichtümer in private Hände bisher zu keinerlei Occupy-Heldenplatz-Bewegung? Es kann ja fürs Erste auch der Mateottiplatz oder eine Wiese am Böhmischen Prater sein …
Ein Stöbern im staubigen Print-Archiv des Augustin zeigt, dass unsere «Informationspolitik» in Sachen Immobilien seither intensiver wird – und «exzentrisch». Das heißt: außerhalb der Wiener Systemvariante des TINA («There is no alterative»). «Das Geld siegt, wie gehabt», hieß unser Titel über der Tragödie der Stadt des Kindes, einstmals eine sozialutopische Musteranlage, die den Baggern zum Opfer fiel (Ausgabe Nr. 234). Die Stadt muss «vor der Verporrung gerettet» werden, forderten wir in Ausgabe Nr. 340. Die heimischen Riesen Porr AG und Strabag, so schrieben wir, «haben einen Wettbewerbsvorteil, über den nicht laut geredet wird»: nämlich personale Verquickungen mit der politischen Elite.
Mit unserer Beilage wollen wir einen Beitrag leisten, dass sich Widerstand regt. Dass die Wohnungsmieten infolge der Politik der Entkommunalisierung stärker explodieren als die Preise anderer Waren, dass sie im Schnitt schon die Hälfte unserer Löhne wegfressen, oder dass wir das 13. und 14. Monatsgehalt wider die Intentionen der Erfinder dafür verwenden müssen, um unsere Delogierungen zu verhindern, all das hat sich eine ausreichend kritische Masse der Ablehnung verdient. Zugegeben, auch uns ist nichts eingefallen, wie man politikgeschädigte Stadtbewohner_innen in eine solche kritische Masse verwandeln könnte. Aber wir versprechen, dass wir vermehrt mutmachende Beispiele publizieren, etwa den nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe in Innsbruck gestarteten Versuch einer «öffentlichen Beschwerdestelle für das Recht auf Wohnen». Desiré Tchuenteu und Stephan Blaßnig, die Erfinder dieser Stelle, werden uns in einer der nächsten Ausgaben darüber berichten, und später auch über ihr Projekt einer alternativen, selbstorganisierten, dem Profitprinzip feindlich gegenüberstehenden Wohnungsbörse.