Augustin 354 - 11/2013

Wechseln Sie wenigstens die Zeitung

In der Provinz geschieht Erstaunliches. Etwas, woran unsere Cover-Diva Denice Bourbon, die wir für die Kulturseiten dieser Ausgabe (S. 24) interviewt haben, wohl ihr Freude hätte – findet sie doch, dass in Österreich aller bürokratischen Starre zum Trotz hier und da ein seltsam anarchistisches Windchen wehe, das viel zu selten genützt werde:In Weikendorf, einem malerischen Örtchen im niederösterreichischen Weinviertel hat der FPÖ-Mandatar Markus Fendrych seine Partei verlassen und ist ohne großen Aufhebens (und ohne sein Mandat abzugeben) zum Kommunisten geworden – getreu dem 2002er-Wahlspruch der KPÖ Wien: «Wechseln Sie wenigstens die Partei».

Was das über die Parteiprogramme in der Praxis aussagt – man frage nicht. Fakt ist, dass die Gemeindepolitik im Dorf sich oft durch wohltuende Sachbezogenheit von jener in der Großstadt unterscheidet. Sehr sachlich auch die kolportierte Begründung des Neokommunisten für seinen entscheidenden Schritt: Er habe sich die Website der KPÖ angesehen und bemerkt, dass deren Wahlprogramm ihm näher stehe als das der FPÖ. (Die KPÖ täte also gut daran, eine Aussendung an alle FPÖ-Mandatar_innen zu machen, in der sie ihnen die Adresse ihrer Website bekanntgibt.)

Sollen wir es nun erleichternd oder schwer beunruhigend finden, mit welcher Überzeugung Mandatar_innen offensichtlich hinter ihren Parteien stehen? Ist das Land gar nicht so verloren, wie die Wahlergebnisse glauben machen? (Bei der Nationalratswahl im September haben von 1489 Walberechtigten knackige 5 Weikendorfer_innen die KPÖ gewählt. 254 die FPÖ.)

Ein Blick nach Graz macht alle aufkeimende Hoffnung zunichte. Auch dort gibt es politische Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen KPÖ und FPÖ: Der FPÖ-Abgeordnete Armin Sippel (dessen Hobbies laut Eigenbeschreibung sind: «Fitness, Laufen, Skifahren, Angeln, Golf, Pokern, Lesen, Burschenschaft»), brachte am 17.10. einen «dringlichen Antrag» zur Abstimmung, «weitere Flüchtlings- und Asylantenzuweisungen [an die Stadt Graz, Anm.] bis auf Weiteres zu unterlassen.» Auf weniger rassistischem Deutsch bedeutet das, in Graz sollen keine weiteren Asylwerber_innen mehr leben und auf Entscheidungen in ihrem Asylverfahren warten dürfen. Wo sie das ansonsten tun sollen, wenn sich solche politischen Praxen durchsetzen lassen, diese Frage stellen wir hier nur rhetorisch. Fakt ist: Die Mehrheit der KPÖ-Mandatar_innen hat dem Antrag zugestimmt. Weil die schlechte Unterkunftslage dazu führe, dass die Asylwerber_innen in ihrer Not ausgenützt werden!, weiß Stadträtin Kahr schnell zu beschwichtigen. Darum ist es also besser, sie dürfen gleich gar nicht in die Stadt hinein. Das ist verwunderlich genug für eine Stadtpartei, die sich die Wohnpolitik auf die Fahnen schreibt («Als Außenstehendem bleibt einem die Spucke weg», so ein Posting auf der Website der KPÖ, dem wir uns nur anschließen können) – weniger verwunderlich scheint dann jedoch, wieso es zu solch reibungslosen Parteiwechseln kommen kann, wie ihn Weikendorf vorgemacht hat.

Aber! Es gibt in unserer Zeitung wie immer auch Nachrichten, die durch und durch gut sind: Die Werbeagentur Unique hat im Wettbewerb des Verbands österreichischer Zeitungen in der Kategorie «Social Advertising» den Sieg errungen: mit ihrem Plakat, das den Augustin als das «einzige social network» auszeichnet, «dem deine Daten völlig egal sind». Wir gratulieren Unique und uns selbst. Moral von der Geschicht‘: Wer zum Augustin wechselt, kann nur gewinnen.

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aus dem Rahmen nur eine
Beinlänge zum Nachbardach dahinter
schachteln sich die Höfe in denen
es wächst und rostet und
in warmen Nächten
so sagt die Concierge
ein Tier wildern geht
Dein Mansardenzimmer an der
Schnittste… weiterlesen

Ruhe

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Weg mit den »Gefängnissen im Gefängnis»

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Normal sein wollen ist ein komischer Wunsch

In ihrem literarischen Debüt erklärt Denice Bourbon, wieso ein straightes Leben ein fades Leben ist

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