Augustin 357 - 12/2013
Das Alaba-Dilemma
Gareth Bale, zur Zeit bei Real Madrid, ist mit 101 Millionen Euro Transferkosten der teuerste Spieler aller Zeiten. Mit Neymar vom FC Barelona (64 Millionen) und all den anderen Stars, die ihm auf der Liste der Schwerverdiener folgen, hat er eines gemeinsam: Vorwürfe aus der Bevölkerung, diese Zahlen stünden in keinem Verhältnis zur Leistung, sind eine Rarität. Das Volk vergönnt den Spitzenspielern die Millionen – überall.
Österreichs Sportler Nr. 1, David Alaba, ist ein Lumpenproletarier im Vergleich zu Bale, Messi oder dem Pensionisten Beckham. Bisher belief sich Alabas Gehalt auf bescheidene 2,5 Millionen Euro pro Jahr. Mit der Verlängerung soll sein Gehalt auf fast 7 Millionen angehoben worden sein. Meine persönliche Feldforschung in den Beiseln Favoritens kam zu einem eindeutigen Resultat: Die Sympathiewerte Alabas sind nicht gesunken. Im Gegenteil, die fußballinteressierte Welt der «kleinen Leute» freut sich, dass «unser Alaba» nun fast genauso viel verdient wie die älteren Götter der Bayern. Neid fehlt. Darin steckt auch was Feines.
Man kann daraus den Schluss ziehen, dass eine 1:12-Initiative, wie sie Ende November in der Schweiz per Volksabstimmung zur Debatte stand, auch in Österreich mit großer Mehrheit abgelehnt worden wäre. Nur ein Drittel der Stimmberechtigten unterstützten den Vorschlag der Schweizer Jungsozialist_innen, dass die Spitzengehälter in einem Konzern nicht höher sein dürften als das Zwölffache des niedrigsten Gehalts.
Die Niederlage der Befürworter_innen sozialer Gerechtigkeit war in diesem Ausmaß nicht vorhersehbar, darum war die Zeitung der Schweizer Elite, die «NZZ», am Vortag der Abstimmung mit schweren Geschütze aufgefahren: Im Ausland frage man sich, «ob das noch die Schweiz sei», behauptete das führende Blatt.
Und weiter: «Wenn einzelne Spitzensportler und Manager sehr hohe Gehälter beziehen, hat das in der Regel mit besonderen Fähigkeiten und der Hebelwirkung durch hohen Kapitaleinsatz und Unternehmensgröße zu tun (…) Müssten sich Konzerne in der Schweiz plötzlich nach 1:12-Regeln verhalten, würden ihre mehrheitlich internationalen Aktionäre bestimmt von der Unternehmensleitung fordern, nach Wegen zu suchen, um trotzdem die besten Leute beschäftigen zu können. Das hätte mit Erpressung nichts zu tun, zwänge aber zur Verlagerung von hoch bezahlten Tätigkeiten ins Ausland und würde Neuansiedlungen abschrecken.»
Klassischer kann man eine Gesellschaft nicht erpressen: «Beschert ihr uns das 1:12-Diktat, übersiedeln wir in Staaten, wo auch ein 1:120 nicht kriminalisiert wird!» Fehlte nur noch, dass solche Konzernsitzverlagerungen entsprechend einer neueren soziologischen Terminologie als «Notreisen» bezeichnet werden, als Emigration des Kapitals aus «großer Not» heraus. Für die wirklich Notreisenden – ihre Lage wird durch eine Studie aus Salzburg beleuchtet, die wir in dieser Ausgabe vorstellen – sind selbst die im Vergleich mickrigen Summen, die Alaba zur Verfügung stehen, astronomisch. Wir sind seltsam gestrickt: Alaba bewundernd, sind wir empathisch mit Notreisenden, die am Tag zehn Euro erbetteln, ein Betrag, für den Alaba nicht einmal mit der Wimper zucken kann: so schnell fließen ihm die Zehner zu, und er muss nicht einmal frieren dabei. Paradoxe Situationen, in welche die Kämpfer_innen für Gerechtigkeit geraten! Ich fürchte, Alaba kann mich aus dem Dilemma auch dann nicht befreien, wenn er die Hälfte seines Gehalts den Notquartieren der Vinzenz-Gemeinschaft schenkt.