Augustin 363 - 04/2014

Die Vorstadt wieder entdecken

Es ist ein Gebot der Stunde, dass der Augustin wieder regelmäßiger den Fokus auf Wiener Vorstadtbereiche richten sollte, denn früher oder später werden sich selbst Durchschnittsverdiener_innen das Leben und Wohnen im innerstädtischen Bereich nicht mehr leisten können.

Wir wissen, die Mieten steigen in schwindelerregende Höhen, und für einen Latte Macchiato, innerhalb des Gürtels geordert, muss die prekarisierte Geisteswissenschaftlerin bereits das Honorar einer ganzen Arbeitsstunde hinblättern. Daher bleibt dem Augustin keine Wahl, die Blattlinie muss deutlicher über die politischen «Nachrichten von unten» hinausgehen; er muss auch Lebens-Ratgeber für den kleinen bis mittelgroßen Geldbeutel werden. So bereiten wir beispielweise in den nächsten Ausgaben Simmering für unsere Leser_innen auf, denn dort sind die Durchschnittsmieten im wien-weiten Vergleich am niedrigsten, das Achterl kann noch unter € 1,50 erworben werden, und das Preisniveau auf dem Flohmarkt des Ostbahn-XI-Platzes wird frühestens im Jahr 2025 – so ein Forschungsergebnis der Welthandelsorganisation (WTO) – die halbe Höhe jenes vom Naschmarkt erreicht haben.

Jetzt aber ein bisserl ernsthafter. Wer würde einer Wien-Besucherin beispielsweise Hotspots in Simmering – mal vom Zentralfriedhof abgesehen – nennen (können)!? Als gäbe es dort nichts zu entdecken, nichts zu bestaunen oder nichts zu genießen. Es war einmal, zumindest in der redaktionellen Selbstwahrnehmung, eine unserer Stärken, auf jene Grätzel und Geschehnisse des Stadtlebens den Blick zu richten, die gerne übersehen oder ausgeblendet werden. Und darauf werden wir uns wieder besinnen.

Moden und Trends interessieren uns weniger. Es ist uns relativ wurscht, wenn im siebenten Bezirk der achte Laden mit fair gehandelter Kleidung eröffnet wird. Wir schicken auch keine Gastrokritikerin zum Donaukanal, wenn dort das neunte schwimmende Restaurant aufmacht. Uns interessieren Stadtgegenden, die man noch mit einer pomalischen Haltung abspazieren kann und wo weit und breit kein Wachdienst zu sehen ist. Oder uns interessiert, wo man in Wien noch Kegelbahnen findet. Oder, oder, oder …

Daher wird der Augustin mit der nächsten Ausgabe, mit der unspektakulären Nr. 364, neu gewichtet. Das bedeutet, der «Vorstadt-Teil» in der Blattmitte, der im Laufe der Zeit auf beschämende zwei Seiten geschrumpft ist, wird verdreifacht. Somit soll auch Platz dafür geschaffen werden, um über die Stadtgrenzen hinaus in die Bundesländer, und sogar hin und wieder ins benachbarte Ausland zu blicken. Übrigens, ist Ihnen bekannt, welches Produkt der tschechischen Stadt Znojmo (Znaim) zu Reichtum verholfen hat? Falls nicht, können sie die Auflösung in einer der nächsten Ausgaben lesen.

Neben dieser Expansion der «Vorstadt» werden auch wieder regelmäßig Augustin-Verkäufer_innen und Personen, die eng mit dem Augustin verbandelt sind, vorgestellt. Das gehört zu unserem Verständnis von Transparenz und wird hoffentlich von unseren Leser_innen begrüßt.

«Uns interessieren Stadtgegenden, die man noch mit einer pomalischen Haltung abspazieren kann»

Mehr Europa ohne Troika

eingSCHENKt

Das Europaparlament hat die Troika analysiert. Das Dreiergespann aus Vertretern der Europäischen Zentralbank, des Internationalen Währungsfonds und der EU-Kommission habe einseitig auf Sparmaßnamen gesetzt und Wachstumsimpulse vernachlässigt.Kürzunge… weiterlesen

Starke Faust vs. kluger Kopf

Neue Filmarbeit aus dem Hause Riahi: «Everyday Rebellion»

Mit (zu) viel Pathos beginnt der dokumentarische Film «Everyday Rebellion» der Riahi Brothers: Eine Frauenstimme zitiert aus dem Manifest der spanischen Protestbewegung «15-M», der sogenannten Indignados (= Empörten). Die Quintessenz aus diesem Zitat… weiterlesen

Gedichte

Zu Fuß

Ein Pflasterstein
kein Stolperstein
zum Glück

Horizonttaumel

Im Himmelblau
der Mond sich drängt
am Lippenrot der Sonne hängt

Politik-verdroschen

Drahtseilakt
meist von Marionetten.

Irrtum
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«Chaotisch»

Fr, 3.5.13 fast Mitternacht

Ich bin chaotisch, sagte sie.
Ja das bin ich auch, meine Wohnung ist chaotisch, und oft spür ich Chaos in mir.Da krieg ich zu hören, was jemand so haben will.
Es gibt Wünsche von anderen an mich.
Ja ich hätte auch viele … weiterlesen

Elisabeth Scharang: Schiele nicht auf den Markt, sondern …

… erzähle Storys, für die du brennst

Elisabeth Scharang nimmt sich trotz einer intensiven Arbeitsphase Zeit für einen Minztee im Café Menta. Die Regisseurin steht zum Zeitpunkt des Augustin-Gesprächs mitten in der Fertigstellung ihres neuen Dokumentarfilms «Kick Out Your Boss». Ein kon… weiterlesen

«Wege, Umwege»

Über Flucht und andere Bewegungen – Ruth Beckermanns neuer Film

In Ruth Beckermanns künstlerischem Schaffen sind Migration, Reisen, Ankommen, Aufbruch immer wiederkehrende Motive, ihre jüngste Filmarbeit «Those Who Go Those Who Stay» beschäftigt sich nahezu ausufernd mit diesem Themenkreis. Ein Augustin-Interview… weiterlesen

Mit dem TuWas!Pass zum Gratis-Sport

Der Verein Bewegungshunger macht’s möglich

Der 10 Jahre alte, erfolgreiche, in Nachbarländern bereits «geklonte» Kulturpass hat einen Bruder bekommen, den TuWas!Pass. Menschen, die unter der Armutsgrenze leben müssen, bekommen damit Zugang zu kostenlosen Sport- und Bewegungsangeboten in Kurse… weiterlesen

Jede hat ihr eigenes Tempo

Wieso Frauen in der Wohnungslosenhilfe Räume für sich brauchen

Elvira Loibl, Mitbegründerin des FrauenWohnzimmers und heute Leiterin des FrauenWohnZentrums im 2. Bezirk, spricht darüber, wie Frauen mit Wohnungs- und Obdachlosigkeit umgehen, was versteckte Wohnungslosigkeit bedeutet und wieso die Stadt Räume brau… weiterlesen

Nur von der Polizei null Kommentar

«Sandlervertreibung» am Praterstern: ein Workshop mit dem AUGUSTIN

Im Gymnasium in der Kundmanngasse, dritter Wiener Gemeindebezirk, organisierten engagierte Eltern zum neunten Mal einen «Tag der Zivilcourage» – und luden dafür zum ersten Mal den AUGUSTIN ein. Mit einem Sozialarbeiter und einem Redakteur suchten die… weiterlesen

Die Wörterkreationen des Josef Pröll

Hypo Alpe Adria und Raiffeisen

Der AUGUSTIN schrieb schon vor einem halben Jahr über die merkwürdigen Umstände der Verstaatlichung der Hypo Alpe Adria. Jetzt gibt es das Thema auch in der Tagespresse, «Notverstaatlichung» wird es dort genannt. Hier die Beleuchtung des Raiffeisenfa… weiterlesen

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