Augustin 367 - 05/2014
Österreich und der Balkan: Nicht nur eine Urlaubsbeziehung
«Die Sonne lacht. Die Vogerl zwitschern…» – kommt der Optimist (z. B. dargestellt von Maxi Böhm) ins Kaffeehaus, wo er auf den Grantscherbn trifft (z. B. dargestellt von Karl Farkas). Infolge des sich daraufhin entspinnenden Dialogs verlässt der vordem Schlechtgelaunte fröhlich gestimmt das Lokal, während die vormalige Frohnatur geknickt am Tisch zurückbleibt.Die einseitige Kommunikationsstruktur des Fernsehens lässt einen solchen Stimmungstausch zwischen Seher_in/Hörer_in und Sprecher_in nicht zu. Leider, ist die Schreiberin versucht zu sagen, denn Moderator_innen, die sich fröhlich feixend über das Elend der Welt auslassen, täte sie schon gern eine verbale kalte Dusche bereiten. Auch Tagebuch-Autor Gottfried macht sich Gedanken über dauergrinsende TV-Gesichter. Aber zum Stubenhocken und ins Glotzophon-Schauen ist jetzt – die Luft ist blau, das Tal ist grün – ohnehin nicht die richtige Jahreszeit. Wer spätestens jetzt nicht sein Veloziped aus dem Keller holt, hat gar keins, und könnte sich aber durch die Lektüre von Wenzel Müllers Fahrradbuch «Umsatteln» (siehe Sachbuchtipp auf Seite 13) einen Gusto aufs Radeln holen. Dass obiger Autor ausgerechnet in dieser Ausgabe die Heimstätte des SC Red Star Penzing namens «Autoplatz» vorstellt (S. 20/21), ist nur ein scheinbares Paradox.
Zum Radfahren muss Robert Sommer nicht mehr überredet werden. Er war pedaltretend am Neusiedler See unterwegs und stieß bei Frauenkirchen auf die «unsichtbare Serbenstadt» (S. 16/17), wo sich im Ersten Weltkrieg ein Lager für serbische Kriegsgefangene befand und woran heute noch ein Friedhof erinnert, der sich aber als «ein Ort der Ignoranz und der Verweigerung ausgleichender Erinnerungskultur» erweist. Die Aufarbeitung der Auswirkungen des WK I auf die von der k.u.k.-Armee Angegriffenen steht gerade erst am Anfang. Im weiter gefassten Sinn kann das Stummfilm/Musik-Projekt «Traversing the Balkans» als Teil einer Erforschung österreichisch-balkanischer Beziehungen in Vergangenheit und Gegenwart mit künstlerischen Mitteln gesehen werden. Lisa Bolyos sprach mit Maja Osojnik, Matija Schellander und Karl Wratschko über ihre Film und Musik-Tournee durch Slowenien, Kroatien und Serbien (S. 26/27). Die Verstrickung österreichischer Politik und Wirtschaft in den Balkankriegen der 1990er harrt übrigens auch noch der kritischen Aufarbeitung. Unsere Titelgeschichte (ab S. 6) setzt sich mit der Rolle der Hypo im kroatischen Kriegsgeschehen auseinander. Der Krieg in Syrien zwingt viele ihr Land zu verlassen. Auf den Seiten 8-9 berichtet Markus Schauta von der Lage syrischer Flüchtlinge in der Türkei. Österreich sagte zu, insgesamt 1000 Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen, ins Land gelassen wird de facto jedoch nur ein Bruchteil. Bekannterweise ist aber auch noch lange nichts geritzt, wenn man_frau die Einreise schafft und einen Asylantrag stellt. In «Einfach weg!» (31ff.) erzählt Sofia Reyes Pino von der Erfahrung, nach der Abschiebung des Ehepartners allein da zu stehen.
Hoffentlich habe ich, analog zum eingangs geschilderten Sketch, nicht die Laune der Leser_innen getrübt. Ein probates Mittel dagegen: Raus in die blaue Luft, ins grüne Tal etc. (und den Augustin als Reise-Lektüre einpacken).