Augustin 368 - 05/2014
Raus aus der Maßnahme, rein in den Sommer
Traditionell beginnen Medien erst im Sommerloch, ihre eigenen Beiträge zu wiederholen. Trotzdem grabe ich fürs Editorial – keine Sorge, der Rest der Texte, die Sie erwarten, sind frisch geschriebene Originale – tief in den Archiven, um ein bisschen Ordnung in die aktuelle Diskussion zu bringen: Es geht (endlich nicht nur im Augustin) um den Maßnahmenvollzug.Wieder einmal hat es einen besonders aufsehenerregenden Fall gebraucht, um die damit betrauten Institutionen – in dem Fall das Justizministerium – zum Reden und eventuell auch zum Handeln zu zwingen. Justizminister Brandstetter, so wird berichtet, möchte nach den peinlichen Offenbarungen aus der Justizanstalt Stein eine Expert_innengruppe einsetzen, die herausfindet, ob es überhaupt sinnvoll ist, die sorgsame Heilung von psychischen Krankheiten in Haftanstalten zu versuchen. Wir wollen nicht oberg’scheit sein, aber wir wissen die Antwort schon.
Nachzulesen ist sie unter anderem in den vielen Texten, die Franz Blaha dem Augustin beschert hat – zum Beispiel nach dem Selbstmord eines Maßnahmenvollzugs-Gefangenen in der JA Stein im März 2009. Oder auch in der eigens zum Thema angefertigten Augustin-Beilage «Die Feile» vom April 2013. Nachzuhören ist sie auch in vielen Radio-Augustin-Beiträgen – zu empfehlen etwa die Aufzeichnung einer Diskussion im «Häferl» unter http://cba.fro.at/109603. Es gibt den Augustin übrigens auch im Geschenkabo – falls jemand da draußen die ministeriellen Wissenslücken füllen möchte.
Ganz generell gehört das Gefängnis überdacht, um seine geordnete Abschaffung vorzubereiten. «Ich denke, dass das Gefängnissystem neu definiert werden muss, um all die Formen unbefristeter Internierung (…) zu erfassen», meint Judith Butler im Kontext globaler Migrationspolitiken. Die US-amerikanische Philosophin war im Mai zu einem Vortrag in Wien; Heide Hammer konnte sie für ein Augustin-Interview gewinnen (S. 10). Um eine ganz andere Form der Gefangenschaft, nämlich die der Zwangsarbeiter_innen im Nazi-Wien geht es in den Gedanken, die Maria Zimmermann (S. 20) sich über die Stadt macht: Sie schreibt von jenen, die in NS-Gefangenschaft die Wiener Flaktürme erbauen mussten; und wie die Dokumente ihrer Ängste, ihres Heimwehs und ihrer Schmerzen siebzig Jahre später von einem Bauarbeiter aus dem Schutt gezogen wurden.
Aber nicht nur vom Leben hinter versperrten Türen, sondern auch vom Erhalt riesiger Freiräume inmitten europäischer Großstädte (S. 6), vom «Raiffeisen-Opa, der wegen der Bankenverfolgung nach Passau flüchten musste» (S. 11), vom augenzwinkernden Ende einer Traditionsbuchhandlung (S. 18) und von der Revolution, die der Hausverstand mit Schwedenbomben beginnt (S. 34), können Sie in dieser Ausgabe erfahren.
Um die fertigzustellen, hat nicht nur die Redaktion auf die ersten Badetage verzichtet. Die Kolleg_innen im Vertrieb waren (notgedrungen) mit uns solidarisch – und haben sich dafür Verstärkung geholt: Sarah Scalet (s. Foto), die «Sozialarbeit nicht so versteht, dass es Schema-F-Lösungen für alle Probleme» gibt, hat sich ins Augustin-Wildwasser gestürzt – und behauptet bisher, dass es eine gute Entscheidung war!
P.S.: Noch was. Wer mit uns gemeinsam der Meinung ist, dass die Stadt uns allen gehört – und die 18 Hypomilliarden eigentlich auch -, soll am 13. Juni zur F13-Parade kommen: mehr dazu auf Seite 27.