Augustin 374 - 09/2014

Stadt - Land und andere Gegensätze

«Abgründe tun sich auf», pflegte mein Deutschprofessor am Gymnasium zu scherzen, wenn es ans Austeilen korrigierter Schularbeiten ging. Abgründe, Klüfte, aufgehende Scheren recken uns ihren immer weiter aufgerissenen Rachen entgegen, sei es im Bildungsbereich, sei es das Einkommen betreffend, seien es Miet- und Kaufpreise im Immobiliensektor. Auch die Unterschiede zwischen Stadt und Land wachsen.

Während etwa die Kosten fürs Wohnen in den Zentren und deren Umland für untere Einkommensschichten zusehends ins Unleistbare steigen, fallen Immobilienwerte

in strukturell benachteiligten (d. h. in Wahrheit vernachlässigten) ländlichen Gebieten ins Bodenlose. Dass Einkommensschwache dorthin ziehen, wo die Mieten billig

sind, ist eben auch keine Lösung. Denn Menschen gehen selbstverständlich dort hin, wo es Arbeit gibt, und medizinische Versorgung, Einkaufsmöglichkeiten, Schulen sowie ein

gutes öffentliches Verkehrsnetz. Mit fehlender bzw. fehlgeleiteter Regionalpolitik in Niederösterreich, speziell im Waldviertel, setzt sich Bernhard Schneider auf den Seiten 6 bis 7 auseinander.

Strukturförderung, so hat es hierzulande und zumindest auch EU-weit, den Anschein, besteht offenbar großteils aus Förderung von Straßenbau. Zugegeben bin auch ich lieber auf einer glatten Fahrbahn unterwegs als auf einer buckelpistenartigen, aber ob jeder Feldweg asphaltiert und jeder Quadratzentimeter innerhalb einer Ortschaft zubetoniert werden muss, ist schwer zu hinterfragen. Dass solchermaßen versiegelte Plätze mit Betontrögen «verschönert» werden, in denen kümmerliche bis vertrocknete Pflanzen das Auge der Betrachter_in beleidigen, ist in der von einigen Baumultis diktierten Logik nur konsequent. In Krakaudorf entschied sich die Gemeinde schon 1990 gegen ein Betonungetüm von Brunnen im Ortszentrum zugunsten eines Holzbrunnens, wie Maria Gornikiewicz aus der Krakau, einer Region im von Abwanderung stark betroffenen obersteirischen Bezirk Murau berichtet (S. 16-17). Ob die dortigen privaten und öffentlichen Initiativen den Erhalt lokaler Eigenheiten sichern können, vielleicht sogar eine Trendwende einläuten, sei vorerst dahingestellt.

Dem Grauschleier der Großstädte arbeiten seit geraumer Zeit Aktivist_innen des Urban Gardening entgegen. Mittlerweile ist die Zahl der wilden oder genehmigten Begrünung

und Verbuntung so sehr in die Höhe geschossen, dass Urban Gardening als das neue «Graffiti» anzusehen sei, so Karl Weidinger in seiner Reportage über die «Salat Piraten» (S. 22). Gemeinschaftliches Gärntnern, bei dem Gestalten, Freude am Tun, Kreativität im Mittelpunkt stehen und die Ernte quasi als Nebenprodukt entsteht, stellt das Gegenteil (oder vielleicht auch nur einen Ausgleich) dar zur konsumorientierten Verheißung, sein Glück, wenn auch nur in kleinen Dosen, kaufen zu können. Das trügerische Versprechen, den «Hort der Bestimmung» in der Glitzerwelt einer Einkaufsmeile wie der Mariahilfer Straße erjagen zu können, durchleuchtet Gabriele Vasak im Dichter Innenteil (S. 32-33).

Quittung auf der Serviette

Steirische Raiffeisenkassen in Kroatien

Der Augustin berichtete bereits: Steirische Raiffeisenkassen gaben Kredite unter aufzuklärenden Umständen an kroatische Immobilienkäufer_innen, etliche Kredite wurden faul, Hypotheken wurden schlagend und raiffeisennahe Teilnehmer_innen an Versteiger… weiterlesen

Steueroasen & Privilegiensümpfe

eingSCHENKt

Etwa acht Prozent der weltweiten Privatvermögen, das sind 8000 Milliarden Euro, liegen in Steueroasen mit dem hauptsächlichen Motiv der Steuerhinterziehung. Nach der Finanzkrise gab es viele Versprechungen und einige Maßnahmen – aber sie waren alle u… weiterlesen

Wienerherz, nicht golden

Radio Augustin sagt danke, Danzer!

Am 7. Oktober hätte Georg Danzer seinen 68. Geburtstag gefeiert. Als kleines Geschenk gibt es das Radio-Augustin-Feature «Wieder in Wien» jetzt online zum Nachhören.
Sieben Jahre. Eigentlich gar keine so lange Zeit. Am 21. Juni 2007 starb Georg Danze… weiterlesen

Unbrauchbar, dafür teuer

Doch keine Schirennen in Schönbrunn, lautete eine Meldung Anfang September, obwohl Peter Schröcksnadel und Michael Häupl diese Idee unterstützt hätten. Das Mitleid mit den beiden hält sich in Grenzen, ist aber ein guter Anlass, mal zu schauen, was di… weiterlesen

Ein Mariahilfer Mietkrimi

Ein Mieter starb – die Nachbar_innen bewegen sich

In der Esterhazygasse in Mariahilf steht ein Haus, und das Haus soll saniert werden. Ein Mieter ist renitent genug, nicht auszuziehen. Ein paar Wochen später ist er tot. Ein Leben wird betrauert, ein Krimi beginnt: die Geschichte einer Nachbar_innens… weiterlesen

Vier Wände in Ottakring

Frau Rs Kampf um das Wohnrecht in ihrer Wohnung, Teil II

Unter dem Titel «Wiener Wohnen. Frau Rs mühevoller Kampf um ihre Ottakringer Wohnung» haben wir im März (Augustin Nr. 362) berichtet, wie eine Ottakringer Mieterin aus ihrer Wohnung gescheucht werden soll. Beinahe müßig zu sagen, dass die Immobilienf… weiterlesen

Ich vergesse, trotzdem bin ich

Ein Buch, das hilft, mit Demenz zu leben

Die Gesellschaft, vor allem die wohlständige, wird älter. 130.000 Menschen, schreibt der Sozialarbeiter Erich Fenninger, sind derzeit in Österreich an Demenz erkrankt. Beziehungsweise sagt er nicht erkrankt, sondern betroffen; denn Mediziner_innen se… weiterlesen

Jobs für Künstler_innen gibt es nicht

Freie Mitarbeiter_innen des AUGUSTIN: Julia Seyr & Michael Bürgermeister

Julia: Wir machen gemeinsam den «Art & Ego»-Comic, der in jeder zweiten Ausgabe des Augustin erscheint. Andere Comics wie z. B. für das Buch «Julie Desire – Lust for Life» habe ich allein gemacht. Julie Desire war mein Alter Ego, da habe ich mein… weiterlesen

Regionalpolitik in Niederösterreich – gut, aber aus

Über gute und schlechte, keine und echte Regionalpolitik

Es gibt nicht nur benachteiligte Menschen, sondern auch benachteiligte Gebiete. Darum geht es sich nicht aus, für alle Gebiete dieselbe Politik zu machen. Besonders schwächere Regionen brauchen Unterstützung dabei, ihr Potenzial zur Entfaltung zu bri… weiterlesen

Keine Farm

Die «Salat Piraten»: «Freiflächen plündern und Schätze säen»

Eine Kunstform im öffentlichen Raum hat es geschafft, sich zu etablieren: das Guerilla bzw. Urban Gardening. In der ganzen Stadt sprießt es, weil Bewohner_innen nicht länger ihre grünen Daumen still halten woll(t)en.

Foto: Salatpiraten

Die Salat… weiterlesen

Am Dachboden der Klischees

«The Sound of Music» als Revue mit Austrofred als MC

Der Kurator und Kunstkritiker Vitus Weh hat sich ausgerechnet den in Österreich scheinbar vergessenen Musicalfilmklassiker «The Sound of Music» ausgewählt, um am Dachboden des Museumsquartiers eine Revue zu inszenieren: «The Making of Österreich». An… weiterlesen

Ihre Freiheit, unsere Freude

Musikarbeiter unterwegs … mit einer Band mit Extramöglichkeiten

Im Mai veröffentlichte das Quartett Madame Baheux seine erste CD. Jetzt im Herbst rufen sie diese – als Quintett – nachdrücklich in Erinnerung.

Foto: Mario Lang

Keine Frage, es kommt viel zusammen bei dieser Band, die seit 2012 – damals noch ohn… weiterlesen

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