Augustin 384 - 02/2015

Falsche Schwarzkappler, junger Aberglaube, irrige Logik

Wenn diese Augustin-Ausgabe erscheint, ist der Fasching gerade zu Ende gegangen, und selbstverständlich haben wir den so genannten Höhepunkt desselben, nämlich den Opernball fast völlig ignoriert. Tagebuchschreiber Gottfried hat es sich angetan, die Live-Übertragung teilweise zu verfolgen, und bedauert, dass es die Opernball-Demo nicht mehr gibt (S. 39).

F13-Aktionen als (paradoxe) Interventionen im öffentlichen Raum gibt es aber weiterhin und das seit 13 Jahren. Heuer beschert uns der Kalender dreimal einen Freitag, den 13., und da das erste Datum in die «Närrische Zeit» fiel, warfen sich F13-Aktivist_innen in Schwarzkappler-Kluft – wer ohne Fahrschein erwischt wurde, bekam eine Belohnung. Mehr dazu auf Seite 10. Ob die alten Kontrollors-Uniformen vom Technischen Dienst der Wiener Linien aufgetragen werden, wie Natasha Towin in ihrem Text «Uni.formen» (S. 37) schreibt, wäre vielleicht auch ein interessantes Recherchethema.Dass ein Freitag, der auf einen 13. fällt, ein Unglückstag sein soll, ist übrigens kein uralter Aberglaube, sondern recht jungen Ursprungs, erst im 20. Jahrhundert ist davon die Rede. Auslöser war möglicherweise der 1907 erschienene Roman des Börsenmaklers Thomas William Lawson mit dem Titel «Freitag, der Dreizehnte». Dass am 13. Mai 1927 (Freitag) die Berliner Börse einbrach und zwei Jahre später an einem Freitag im Oktober – allerdings nicht an einem 13. – die New Yorker Börse krachte, hat die Karriere des magischen Datums wohl beflügelt. In spanischsprachigen Ländern gilt angeblich Dienstag, der 13., als ungünstiges Datum, in Italien sind wiederum Freitage, die auf einen 17. fallen, unbeliebt. Wir sind überzeugt, dass sich Glück und Unglück nicht an Kalenderdaten halten und leiden auch nicht an Paraskavedekatriaphobie, wie die krankhafte Angst vor Freitag, dem 13, in «Fachsprache» heißt, und freuen uns daher schon auf den 13. März, an dem der nächste F13-Aktionstag stattfindet.

Von Börsenkrachs war schon die Rede; diesen und Bankenkrisen folgen Wirtschaftkrisen wie das Amen im Gebet. Als Ausweg werden in der irrigen Logik von «Spare in der Not» Privatisierungen sowie Jobabbau und die Verringerung von Sozialleistungen suggeriert. Aber je mehr ein System an seine Grenzen kommt und desto sichtbarer seine Widersprüche werden, umso mehr ist es an der Zeit, an dessen Überwindung zu arbeiten. Bis dahin gilt es zumindest bestehende Ordnungen zu hinterfragen und zu reformieren. Der Taxifahrer Keivan Amiri setzt sich für Verbesserungen der Arbeitsbedingungen seines Berufsstandes ein und war auch aktiv am Taxistreik am Tag des Akademikerballs beteiligt. Kurto Wendt poträtiert den Taxler, der zum Gesicht der Initiative «50.000 Gründe, warum wir nicht zum Ball fahren» wurde, auf den Seiten 6 und 7. Einen außergewöhnlichen über 15 Monate dauernden Arbeitskampf porträtiert der Film «Dell’arte della guerra» (S. 24/25). Lisa Bolyos und Carolina Frank trafen die Filmemacher_innen Silvia Luzi und Luca Bellino zum Interview.

Mama hatte einen Schlaganfall

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Mama hatte einen Schlaganfall, da war ich 12 Jahre alt, erzählt Ulli. Ich weiß das noch ganz genau: Wir zwei waren bummeln auf der Mariahilfer Straße, da sagte meine Mutter: «Komisch, ich kann auf einmal nur die halbe Schrift auf dem Schild lesen.» I… weiterlesen

Studieren im Raiffeisen-Hörsaal

Kritisieren verlernen leicht gemacht, oder:

Die mangelnde finanzielle Ausstattung der österreichischen Hochschulen und Universitäten führt zur zunehmenden Privatisierung von Forschung und Lehre. Wie auch Raiffeisen ihr Scherflein zur universitären Bildung beiträgt, hat Martin Birkner studiert…. weiterlesen

Von Ballköniginnen & Bürgermeisterinnen

Oberwart, Teil II: 22 Jahre Anerkennung einer Volksgruppe

1993 wurden die Burgenlandroma in Österreich als Volksgruppe anerkannt. Diese neue Sichtbarkeit bedeutet den einen mehr Schutz, den anderen mehr Angriffsfläche. Wie man individuell damit umgeht und ob der Weg von der Ballkönigin zur ersten Romni-Bürg… weiterlesen

Kein Ticket? Held des Untergrunds!

Freifahr-Razzia der Augustin-Verkäufer_innen

Unsereins schicken die Spießer_innen immer an die Arbeitsfront, auch wenn sie keine Ahnung haben, was, wo, ob und wie wir tätig sind. Uns Augustinmacher_innen, uns Sandler_innen, uns in Unbildung Gehaltenen, uns stets Flüchtigen. «Geht’s wos hackeln»… weiterlesen

Über das gekennzeichnete Fahren ohne Fahrkarte: Bestraft kann nur das Erschleichen werden

Ein Amtsgericht in Deutschland hat eine Person wegen «Erschleichung von Leistungen» verurteilt, obwohl er ein deutliches Hinweisschild trug: Ich fahre ohne Fahrschein. Was soll das für ein «Erschleichen» sein, wenn der Täter oder die Täterin offen zu… weiterlesen

Im Müll nach Musik stirln: Ana Threat zu Gast bei Radio Augustin

Ana Threat spielt Schlagzeug, Gitarre, Percussion und Drum-Box, und sie singt. Ihre musikalischen und subkulturellen Wurzeln liegen im Anarcho-Punk der 1990er Jahre, und die Hardcore-Punk-Band Minor Threat aus Washington war inspirierend für den Küns… weiterlesen

Telemark am Himmelhof

Der Sprunglauf in Wien ist nicht absurd gewesen

Auf den Hängen über Hietzing begeisterten die Skispringer vor 50 Jahren die Massen, erfuhr Reinhard Krennhuber im dortigen Bezirksmuseum. Bis der nächste Stadtadler über einen Wiener Bakken geht, könnte aber noch viel Schmelzwasser die Donau hinunter… weiterlesen

«Paradigmatisch für die Wiener Geschichte»

Eine Wanderausstellung über eine historische Minderheit – die «Ziegelböhm»

Im Favoritener Karl-Wrba-Hof initiierte «Wohnpartner», ein Nachbarschaftsservice im Wiener Gemeindebau, Gesprächskreise mit Zeitzeug_innen der sogenannten Ziegelböhm. Auf Basis dieser Gespräche wurde eine kleine, aber sehr feine Wanderausstellung ent… weiterlesen

Moderne Hungerkünstler_innen & kulturelles Prekariat

Eine Bildhauerin erzählt von der Kunst des Überlebens

Mit Kunst den Geldbeutel füllen? Laut einer Studie aus dem Jahr 2008 leben 37 Prozent der Kunstschaffenden unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze. Veronika Krenn hat bei einer Bildhauerin nachgefragt, wie «prekäre Arbeit» im Kunstbereich aussieht und … weiterlesen

Die Geschichte von den Arbeiter_innen, die zu ihrer eigenen Gewerkschaft wurden

Italien: Eine Industrienation stirbt aus, ihr Arbeiterkino lebt hoch!

Mailand, Industriegebiet: Eine weitere Fabrik soll zugesperrt werden. Die Arbeiter_innen kämpfen fünfzehn Monate und acht Tage um ihren Erhalt. Zuerst mit Selbstverwaltung des Betriebes, dann mit Belagerung der Straßen, zuletzt mit der Besetzung von … weiterlesen

Abendstern ist Morgenstern

Bist du nicht willig, so brauch ich Geduld.
Tische trennen uns täglich.
Worte erstarren im Flug
aus dem Zeitloch im ewigen Nichts.
Ein Schmetterling will den Raupenpanzer besteigen
und muss die Kühe besuchen, auf den saftigen Weiden Indiens.
Fromm ge… weiterlesen

Arme Haut

Protokoll einer Zwangsstörung

Wasser, klares Wasser, endlich klares Wasser lief über seinen schmutzigen, innen wie außen völlig verdreckten Körper, ja, sein Körper war schmutzig, unrein und elend, denn die Welt war es auch, voll von Dreck, Bakterien, Viren,…

Illu: Karl Berger … weiterlesen

In der Unterwelt der Gesundmachungszentrale

Die Abenteuer des Herrn Hüseyin (28)

Herr Hüseyin ist seit langem nicht beim Arzt gewesen. Die Bläschen an seinen Händen lassen ihn nicht in Ruhe. Jedes Jahr zur gleichen Zeit kleine Bläschen an beiden Händen, und nach einer Zeit verschwinden sie wieder, wie die Zugvögel. Aber heuer ble… weiterlesen

20 Jahre Augustin – Jahrgang 1998: feministische Spuren auf den Wänden der Stadt

Kyselaks Töchter

Im Oktober 1998 schrieb Kollege Sommer über das gesprühte Wort als «zusätzliche Erzählung zum Lesen der Stadt». Graffiti-Forscher Thomas Northoff war gerade dabei, ein Wort-Graffiti-Symposium zu veranstalten; allein, es fehlten ihm die Praktikerinne… weiterlesen

Fünfzigtausend Gründe, warum Integration Einmischung heißt

Keivan Amiri gibt nicht nur dem Taxistreik ein Gesicht

Richtige Integration heißt, sich engagieren, sagt Keivan Amiri. Am Tag des Akademikerballs hat er «fünfzigtausend Gründe» gefunden, nicht zur Hofburg zu fahren. Aber auch sonst ist er ein Umtriebiger, der zwischen Teheran und Neuburg, zwischen Taxifa… weiterlesen

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