Augustin 388 - 04/2015
Lebensqualität für die Jungen, und alle anderen
«Junge Leute brauchen attraktive Freiflächen, auf denen man nichts konsumieren muss, insbesondere in den dichter bebauten Stadtregionen» heißt es in einer von der Arbeiterkammer in Auftrag gegebenen Studie*, die vor kurzem präsentiert wurde. Unsere Rede! Seit Jahren schon! Und natürlich werden konsumationsfreie Bereiche im Öffentlichen Raum auch von Kindern und Menschen mittleren und fortgeschrittenen Alters benötigt.
Besagte Studie befasst sich aber eben speziell mit der Situation und den Bedürfnissen von 15- bis 30-Jährigen in Wien. Eine wachsende Bevölkerungsgruppe, die der Bundeshauptstadt eine hohe Lebensqualität bescheinigt (das tun aber eh fast alle auch aus anderen Segmenten der Population), jedoch eine steigende Anzahl der Jungen wird, was Arbeit, Wohnen und Freizeitgestaltung betrifft, zusehends benachteiligt. Besonders Migrant_innen und junge Frauen ohne gute Ausbildung sind davon betroffen. Wer wenig verdient und viel Miete zahlt, der/dem bleibt wenig bis nichts im Börserl, was noch in Freizeit investiert werden kann.
Gut erreichbare Orte, die vielleicht auch noch ästhetisch was hergeben und zum Verweilen einladen, werden immer öfter kommerzialisiert, zur Gastro- und Eventzone erklärt. Die Kaiserwiese im Prater etwa ist solchermaßen der Öffentlichkeit bereits dauerhaft entrissen (Augustin berichtete). Der zentrale Bereich des Donaukanals droht zur durchgehenden Eat/Drink/Party-Meile zu werden. Sosehr die Belebung der Gegend mit Beaches, Bars und Stages zu begrüßen ist, mittlerweile dürfte die Grenze zur Ungemütlichkeit langsam erreicht sein. Über ein Mega-Gastro-Projekt auf der Leopoldstädter Kanalseite informiert Robert Sommer. Dort ist ein Riesenrestaurant mit 600 (!) Plätzen geplant – mehr darüber und auch über den Widerstand dagegen auf Seite 12.
Ein wesentlicher Faktor der Lebensqualität ist der Zugang zu medizinischen Einrichtungen, Arztpraxen, Spitäler, Therapiezentren etc. sollten in räumlicher Nähe zum Wohnort zur Verfügung stehen, medizinische Versorgung für alle gewährleistet sein. Dass Armut krank macht (und umgekehrt) gilt als gesichert. Martin Schenk macht auf der gegenüberliegenden Seite auf die soziografischen Zusammenhänge von Gesundheit und sozialer Schichtung aufmerksam. Bärbel Danneberg ist wiederum aufgefallen, dass im Lauf des derzeit schicken und vermehrt aufoktroyierten Selbstoptimierungswahns «immer mehr Menschen Wunderheilern und City-Marathons nachlaufen, Mengen von Nahrungsergänzungsmitteln verdrücken und fragwürdigen Esoterikern mehr vertrauen als der mild belächelten Schulmedizin» (Vgl.: S. 14). Die alternativ oder parallel zur herkömmlichen Medizin angewandten Methoden können selbstverständlich nur von betuchteren Personen in Anspruch genommen werden, während den auf die Krankenkasse Angewiesenen auch noch das Damoklesschwert des Selbstbehaltes droht, den «konservative» (in Wahrheit rückwärtsgewandte) Parteien fordern.
*Die Studie kann unter
http://wien.arbeiterkammer.at/service/presse/Wien_Stadt_fuer_Junge.html
heruntergeladen werden.