Augustin 389 - 05/2015
Einmal mehr Gerechtigkeit, einmal mehr Freiheit
Geplant war es eigentlich nicht. Es ist aber passiert. Diese Ausgabe des Augustin ist ungerechtigkeitskritiklastig. Was für ein unmögliches Wort. Es gibt Ausgaben, in denen der Fokus auf die Angelegenheiten der Freiheit gerichtet ist. In solchen Ausgaben thematisieren wir z. B. die Freiheit der Straßenkunst, debattieren wir, wie weit die Freiheit der Satire gehen darf, oder versuchen, noch bessere Definitionen für eine befreite Gesellschaft oder für eine demokratische Situation zu finden, wie jene: Wo die Menschen ohne Angst anders sein können.Die Nummer 389 ist also eine Gerechtigkeitsnummer – also auch keine Sensation. Auf Seite 6 beginnt die Reportage aus der türkischen Grenzstadt Suruç, die eine Zahl von syrischen Flüchtlingen aufgenommen hat, die zwei Drittel der Stadtbewohner_innen umfasst. Zum Vergleich. Das Burgenland hat 288.000 Einwohner_innen. Die Landespolitiker_innnen berichten stolz, dass das östlichste Bundesland mit der aktuellen Zahl von 1074 Flüchtlingen die Quoten-Auflagen des Bundes zu 95 Prozent erfüllt hat. Bitte nehmen Sie nun ihre Smartphones zur Hand und rechnen sie den Anteil der Flüchtlinge an der Gesamtbevölkerung aus. In Suruç und im Burgenland. Wo, glauben Sie, ist die Bevölkerung gelassener gegenüber dem Zuzug der Armen? Sie werden es lesen. Übrigens, man schätzt, dass derzeit 160.000 Burgenländer_innen in Amerika wohnen. Es gab Zeiten, da flüchteten sie in Scharen und leerten ganze Dörfer. Und drüben gab’s keinen Strache, der plakatierte: «Chicago darf nicht Oberpullendorf werden.»
Auf Seite 8 befasst sich eine neue Initiativgruppe für eine gerechte Wohnungspolitik – WOLO in Wien – mit dem Auslaufen der so genannten «Kältehilfe» (auch «Winterpaket» genannt) für Obdachlose aus EU-Ländern, die keinen legalen Anspruch auf offizielle Wohnungslosenhilfe haben. Sie müssen raus ins Freie – wo sie aber erst recht nicht übernachten dürfen, weil das die «Wiener Kampierverordnung» verbietet.
In der neuen Rubrik «Wiener Wirtschaft» begibt sich Martin Birkner in die Niederungen des Wiener Gemeinderatswahlkampfs. Bürgermeister Häupl hat ganz zufällig vor den Wahlen angekündigt, dass erstmals seit 2004 wieder Gemeindewohnungen errichtet werden. Und zwar in welchen Mengen? Zunächst einmal 120. Und wer baut sie? Die Wohnbaugesellschaft Gesiba, eine Firma, die fast zur Gänze Eigentum der Gemeinde ist und die laut Rechnungshof Millionengewinne auf Kosten der Mieter_innen einfährt, obwohl sie sich im Status der «Gemeinnützigkeit» befindet.
So problematisch die Ausgliederung der früher kommunalen Wohnbautätigkeit an die Gesiba ist, kann auch die Ausgliederung der Verkehrsbetriebe aus der Gemeindeverwaltung und ihre Umwandlung in das wie ein eigenständiger Privatbetrieb funktionierende Unternehmen Wiener Linien betrachtet werden. Unter anderem scheint deshalb die Klo-Gerechtigkeit unter die Räder zu kommen (siehe Seite 22). Niemand kann derzeit sicher sein, ob er oder sie die Toiletten in den U-Bahn-Stationen benützen kann. Einige sind seit langem zugesperrt. Die Wiener Linien wollen, dass die Bezirke die Toiletten finanzieren. Die Bezirke finden das ungerecht: Ihnen fehlt’s sowieso überall an Geld …
Erratum
Erinnern Sie sich an den melancholischen Blick von Hansi Lang auf dem Titelbild der Ausgabe Nr. 387? Es stammt nicht, wie wir irrtümlich angaben, von Mario Lang, sondern von Ingo Pertramer. Lieber Ingo, Tschuldigung!