Augustin 395 – 08/2015
Wirklich «too small» für Flüchtlinge?
Selten befasst sich der Augustin ausführlich mit einem Thema, das auch in den Mainstreammedien breit rezipiert wird, doch in den Juli-Wochen hat sich dem Sommerloch zum Trotz eine ernste politische (und somit auch mediale) Debatte entwickelt, der sich gerade eine Straßenzeitung nicht verschließen kann: die steigende Anzahl von Flüchtlingen in Österreich. Wobei wir weniger die aktuelle Situation um die Unterbringung in den Fokus rücken, sondern vielmehr die (Lebens-)Geschichten der Betroffenen.Darüber hinaus beschäftigen wir uns auch noch mit künstlerischen und gar utopischen Ansätzen, wie den Flüchtlingsströmen das bedrohliche Potenzial abgeschöpft werden könnte. Rollen wir daher die vorliegende Ausgabe von hinten auf – und noch dazu mit einer «alten» Geschichte.
Elfriede Gans hat vor rund zehn Jahren den Versuch gestartet, einem damals 19-jährigen unbegleiteten Flüchtling aus Afghanistan zu einer Ausbildung zu verhelfen. Jetzt hat sie ihre Wahrnehmung vom «Erstkontakt» niedergeschrieben (S. 38), wobei diese Arbeit auf Augenhöhe ausgeführt wurde, denn in der kommenden Ausgabe wird der im vorliegenden ersten Teil Beschriebene selbst zu Wort kommen.
Sechs minderjährige männliche Flüchtlinge stehen auf einer Bühne des wohl renommiertesten Festivals für zeitgenössischen Tanz in Österreich («ImPulsTanz»). Genauer im künftigen Weltmuseum, im Stück «Songs of Water / Tales of the Sea», und gleich drei Augustin-Mitarbeiter_innen (Carolina Frank, Sandra Voser und Michael Franz Woels) haben diese Produktion unter die Lupe genommen (S. 30). Im Gegensatz dazu wagte sich Robert Sommer ganz alleine ins MAK zur Schau «Uneven Growth» (S. 28) über Megacities und (konstruktive) Konzepte, um dem rasanten Wachstum von Städten adäquat zu begegnen. Auch wenn wir uns an die Empfehlung von Ernst Friedrich Schumacher «small ist beautiful» halten wollen, weil uns die Vorteile auf der Hand liegen – siehe ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel: «Austria is a too small country to make good doping» – bräuchten wir uns objektiv betrachtet selbst in unserem «small country» nicht davor fürchten, von Flüchtlingsströmen überschwemmt zu werden. Weniger Angst vor und mehr humanitäre Hilfe für Menschen, die aus Notsituationen heraus ihre Heimat verlassen mussten, wäre nicht schlecht. In diesem Sinne sprach Diana Wiedra mit Flüchtlingen über ihre Situation und Gründe, warum sie von zu Hause weggegangen sind (S. 6).
Neben dem großen Schwerpunkt Flüchtlingspolitik gibt es noch einen kleinen über ein kleines Bundesland, u. z. das Burgenland. Dort haben die Roten bekanntlich eine Koalition mit den Blauen gebildet, was Straßenproteste im sonst so beschaulichen Eisenstadt hervorgerufen hat. Grund genug für unseren Megacity-Korrespondenten Sommer hinzufahren, um eine «parteiische» Milieustudie zu erstellen (S. 21). Dagegen analysierte der Wahlsteirer Walter Schaidinger aus sicherer Ferne die politischen Veränderungen im Burgenland, mit denen Opportunismus einhergeht und plädiert daher im Sinne einer Gegenstrategie fürs «Sinnerfassend-Leben» (S. 44). Aber auch das Sinnerfassend-Lesen ist im Burgenland Thema – gar im erotischen Genre –, wie unsere Kollegin und Wahlburgenländerin Lisa Bolyos zu berichten weiß (S. 26).
Und weil im Sommer nicht nur die Hüllen fallen, sondern auch gerne die Radtrikots übergezogen werden, liefert Mario Lang eine Radroutenbeschreibung in Wort und Bild über eine Strecke, die bis Redaktionsschluss noch als Geheimtipp galt (S. 22). Keine Ahnung, was oder wer (Fuentes?) den Leiter des Stimmgewitter Augustin gestochen hat, jedenfalls ist er für diese Story gleich drei Mal die zu beschreibende Strecke abgeradelt – und da soll noch einer sagen: «Austria is a too small country to make good doping.»