Augustin 411 - 04/2016
Nachlass und Nachbesetzungen
Am Land aufgewachsen lag es in der Natur der Sache, viel der Freizeit, die ein_e Unterstufler_in so zur Verfügung hatte, unter freiem Himmel zu verbringen. Im Frühling 1986 erfolgte aber die Zäsur: Der Reaktorunfall von Tschernobyl hatte selbst einem Zwölfjährigen wie mir vor Augen geführt, dass es jetzt ans Eingemachte gehen könnte.Die Eltern erlaubten für eine Weile nur noch Kurzaufenthalte im Garten, ergo wurde über das Fußballspielen ein Verbot verhängt. Hätte damals vor 30 Jahren, in dieser beklemmenden Stimmung, auch keinen Spaß gemacht.
Hier, im sogenannten Mitteleuropa, sind wir noch einmal mit einem blauen Augen davongekommen. Hat es nicht geheißen, der Wind sei aus einer für «uns» vorteilhaften Richtung gekommen? Aber keine 400 Kilometer von Tschernobyl entfernt, sah die Angelegenheit, Wind hin oder her, schon anders aus. – Wie für die achtjährige Sascha Putrja, ein fantastisches Zeichentalent. Rund drei Jahre nach dem Supergau verstarb das ukrainische Mädchen an den Folgen der Verstrahlung. Hinterlassen hat sie, so blöd, das über eine 11-Jährige zu sagen, auch klingen mag, ein Konvolut aus 1500 Bildern, mit dem sich eine Wiener Kunsterzieherin beschäftigt (S. 33).
Einem weiteren, aber weniger tragischen Jahrestag als jenem von Tschernobyl wird im vorderen Blattteil gedacht. Die Historikerin und Journalistin Ariane Ehlmaier-Heilingsetzer verwertete ihre familiär bedingte Befangenheit zu Friedrich Heer auf eine begrüßenswerte Art und Weise zu einer Kurzbiografie. Der linkskatholische und mitunter wirre Kopf Heer wäre heuer einhundert Jahre alt geworden (S. 6).
Schön langsam entwickelt sich der Augustin auch immer mehr zum Reportage-Organ für «Osteuropa». Neben dem Tschernobyl-Thema werden in dieser Ausgabe zwei weitere gebracht: Mario Lang machte eine Rundfahrt mit seinem modernen Klapprad, das Augustin-Kolleg_innen als «Bobo-Porsche» zu bezeichnen pflegen, in der Tschechischen Region Lednice-Valtice (S. 18). Hingegen fuhr Kollege Robert Sommer wertkonservativ mit einem klassischen Fahrrad den Neusiedler See ab, um nach fünf Jahren wieder mal nachzuschauen, wie es um den Schilfgürtel bestellt ist (S. 16). Herr Hüseyin, unser Kolumnist auf Seite 35, ist noch um eine Spur konservativer, er fährt nämlich noch Auto und bewegte sein motorisiertes Vehikel in Reparaturmission gar über die burgenländische Grenze hinweg nach Ungarn (S. 35).
Auf die Zäsur auf der prominenten Seite fünf muss an dieser Stelle auch noch eingegangen werden: Wir setzen die Serie «Augustiner_in» in personalpolitischer Sache kurz aus, denn zwei neue Gesichter fürs Augustin-Gesamtkunstwerk werden gesucht. Hintergrund: Mit Robert Sommer verabschiedet sich mit Jahresende der letzte Vertreter der Gründungsgeneration des Augustin in die Pension. Er bleibt uns natürlich als frei(geistig)er Autor erhalten, denn ein Augustin ohne Robert wäre wie ein Wurstsemmerl ohne Gurkerl. Hingegen sagt Sarah Scalet adieu. Unsere liebe Kollegin vom Vertrieb zieht es vorerst mal südostwärts. Sie wird bis zu ihrer Pensionierung in rund dreißig Jahren noch allerhand in Bewegung setzen. Das liegt auf der Hand, so wie wir Sarah erlebt und schätzen gelernt haben!