Augustin 428 - 01/2017
Was uns blunzn ist – und was nicht
Das Jahr ist neu und ein Viertel der Redaktion ist es auch: Hier halten Sie den ersten Augustin in Händen, den Ruth Weismann (wir haben sie in der letzten Ausgabe vorgestellt) mitproduziert hat. Robert Sommer sitzt dementsprechend zwar nicht mehr im Nebenzimmer, aber wie im Abschiedsinterview angekündigt, schreibt er sich die Finger wund, um es zum Mitarbeiter des Monats zu schaffen!Auf Seite 10 denkt er übers Nächtigen in fremden Städten nach: Machen «Couchsurfing» und «Airbnb» die Hotelbranche kaputt? Oder gar die gesamte Mietpolitik? Und warum wird jede einzelne gute Idee (außer dem Augustin!) immer gleich kommerzialisiert? Das geht uns irgendwie auf die Nerven.
Wie man in anderen Städten lebt, sehen sich auch Henrik Lebuhn und Megan Saperstein an: Sie haben in New York das Konzept der «Stadtbürger_innenschaft» erkundet. Dort kann man nämlich qua eigens erstelltem Ausweis belegen, dass man in diese Stadt gehört. Und hat damit Zugang zu öffentlichen Einrichtungen und bei Polizeikontrollen weniger Probleme. In einer vierteiligen Serie jetten wir einmal quer durch die Welt, um uns solche Stadtmodelle anzuschauen.
Von Konflikt und Zusammenhalt, wenn der Raum zum Wohnen eng ist, erzählt Manfred Krenn (Seite 16). Er hat das Jahr 2016 im kubanischen Camagüey verbracht und dort die Cuarterías kennengelernt – geteilten Wohnraum in Gebäuden, die früher der herrschenden Klasse gehörten.
Das «í» in «Cuartería» weist darauf hin, dass es betont werden will. Respekt vor den Sonderzeichen!, fordert der Augustin-Korrekturleser Richard Schuberth. In einer fünfteiligen Textserie (beginnend auf Seite 26) geht er den Findigkeiten der Sprache nach, die ihm, dessen Leidenschaft und täglich Brot sie ist, alles andere als blunzn sind.
Blunzn ist uns in dieser Ausgabe zweierlei: Da wäre der Ordnungswahn von Polizei und Wiener Linien, die aus den schönsten und wurlertsten Orten der Stadt – den Bahnhöfen – saubergeputzte Räume der kontrollierten Ungemütlichkeit machen. Am F13 haben wir uns erlaubt, ein paar Gegenvorschläge einzubringen. Ein analoges Instagram haben wir auf Seite 8 zusammengestellt. Blunzn kann aber nicht nur eine Emotion(slosigkeit), sondern auch ein Stück Strickkunst sein! Am Cover und auf Seite 26 stellen wir die Wollartistin Dominique Kähler Schweizer vor, die Zitronen mit feinstem Garn schimmeln lässt und aus fleischfarbenen Fäden Menschenkopfmortadella macht.
Und schließlich zieht auch Nadine Kegele bunte Fäden, und zwar durch alte Fotos. Den meisten von Ihnen als Autorin bekannt, haben wir sie eingeladen, ein Jahr lang mit Collagen das Geschehen zu kommentieren: «Als ob ein Tier mit Riesenpfoten Fäden spannen möchte» ist der poetische Name ihrer Serie, die auf Seite 29 die Liebe zur emotionalen Mindestsicherung erklärt.
Möge dieses neue Jahr mehr als emotional mindestgesichert sein und neben den Grundbedürfnissen auch 1, 2, 3, 4 Ihrer wildesten Träume erfüllen!