Augustin 432 - 03/2017
Wir haben Stehvermögen!
Den 8. März, internationalen Frauentag und #womensstrike, habe ich, statt in der Redaktion, mit meiner Nichte im Thermalbad verbracht. Geboren mitten hinein in den Neoliberalismus muss ihr schließlich auch irgendwer beibringen, wie das geht: verweigern, prokrastinieren, faulenzen, streiken.Wo die Sozialdemokratie ihrer Klientel von Haus- über Medien- und Sex- bis Fabrikarbeiterinnen rein gar nichts zu bieten hat (nicht nur: kein verpflichtendes Whirlpool in jedem Betrieb ab fünf Angestellten; sondern auch: keine gesicherte Mindestsicherung; kein Recht, adäquat zu wohnen) – da muss man zwischendurch wenigstens das sozialdemokratische Lieblingsthema niederlegen: die Arbeit.
Auch Wohnen war – erinnern Sie sich? – lange Kernthema der Kanzlerpartei. Auflösung von Massenquartieren, Arbeiter_innengesundheit, soziale Durchmischung einer Stadt, Arbeiter_innenburgen, so ungefähr klang das. Ach ja, Mieter_innenschutz! Mietobergrenzen! Unbefristete Mietverträge! Sozialer Wohnbau! … Langsam klingelt’s, gell? In diesem Augustin, der den Frühling endgültig einläutet, geht es mehrfach um das gemeindeeigene Dach überm Kopf: Kollegin Legenstein hat sich für die Coverstory (Seite 6) angesehen, wie zugänglich der Gemeindebau tatsächlich ist. Wer will, wer darf, und wer schafft es auch, die notwendigen Unterlagen zusammenzutragen? Zur Illustration einer eigentlich einmaligen Architektur- und Sozialgeschichte hat sich Michael Bigus dazu mit der Kamera Gemeindebauten aller Dekaden vorgenommen. Auf dass sie bloß nicht in den (privatisierten) Archiven der Stadtgeschichte verschwinden!
Von Finanzierungs- und anderen Skandalen im Wiener Wohnbaubereich erzählt Martin Birkner in der «Wiener Wirtschaft» (Seite 11): «Wohnraum darf keine Ware werden! In Wien wäre hinzuzufügen: aber auch keine Spielwiese der roten Freunderlwirtschaft.» Und ein drittes Mal geht es auf Seite 37 um den Gemeindebau: Hans Wurst berichtet aus dem Alltag von einem, der nach einer Gemeindewohnung strebt – und, nach österreichischer Manier, an der Bürokratie scheitert: «Weil auf dem Meldezettel das Kästchen angekreuzt war, wo drin stand: keine Wohnsitzqualität.» Warum er sich nicht einfach bei einem Freund meldet? «Dann wird die Mindestsicherung von meinem Bekannten und mir zusammengezählt als ein Haushaltseinkommen, und der Bekannte, der mir einen Gefallen tut, würde um seinen Mietzuschuss umfallen.» So geht rotgrüne Stadtregierung.
«Wir haben Stehvermögen», stellt die neue Werbekampagne fest, die die Agentur Erdgeschoss (danke!) für uns entworfen hat. Das heißt im Notfall: no pasarán. Wir können solchen Entwicklungen auch mit viel Stehvermögen im Weg herumstehen.