Augustin 474 - 01/2019
Höllisch bleiben
Haben Sie, liebe Leser_innen, Silvester gut verbracht? Ohne zu viel Knallerei um die Ohren? Beginnen wir, klassisch, mit einem Rückblick – auf die Rückseite der Ausgabe, die Sie gerade in Händen halten: Magdalena Steiners Zeichnung, die einen neuen Teil ihrer Bibel-Serie ankündigt, passt nämlich wie die Faust aufs Auge zum Erzengel am Cover: eine alttestamentarische Klammer für die erste Ausgabe im neuen Jahr also. Ist das eine Zukunftsprognose? Kommt die Apokalypse?Leidet der Garten Eden unterm Klimawandel? Oder nimmt der AUGUSTIN nun schon jedes Geld und wird neuerdings von der Kirche gesponsert? Letzteres jedenfalls nicht, für Ersteres können wir nicht garantieren. Die himmlische Gestalt am Cover ist ein selbstgewählter, weltlicher Name: Michael Tojner, Beruf: Investor. Eine von ihm gegründete Gesellschaft hat er «Erzengel Michael Beteiligungsverwaltungs GmbH» genannt. Vielleicht, weil er gerne himmelhoch baut, wie man vom Wiener Heumarkt weiß, wo Tojner einen Turm errichten lassen will. Höhe: 66 Meter. Dass da nur mehr ein 6er zum höllisch-himmlischen Gesamtkonzept fehlt, ist vielleicht Zufall, die steile Karriere Tojners ist es eher nicht. David Hell schaut in Teil 2 von Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich, unserer Serie über die Reichen und Mächtigen des Landes, dem Erzengel und seinen irdischen Aktivitäten auf die Finger (Seite 6).
Kapitalisten, wie Tojner einer ist, werden oft als «Blutsauger» bezeichnet, was den echten Blutsaugern, also den Vampiren, eigentlich unrecht tut. Es gibt nämlich auch nicht ausbeutende Vampire, wie man spätestens seit den Twilight-Blockbustern weiß. Woher der Vampir-Mythos überhaupt kommt, und wie er in die Pop-Kultur Einzug hielt, hat sich Markus Schauta angeschaut (Seite 18).
Klar ist: In eine Kirche würden Vampire nicht gehen, denn Kreuze meiden sie. Karl Weidinger ist vermutlich kein Vampir, denn er hat vier christliche Gotteshäuser aus der Generation der Nachkriegsmoderne besucht und überlebt (Seite 20). Architekturinteressierte erfreuen sich an den zackigen Formen, andere fragen sich vielleicht schon: Hört das jetzt bald auf mit den Kirchen und Engeln und Fabelwesen im AUGUSTIN? Nun, Götter kommen noch mal auf Seite 35, in Valerie Travaglinis Gedicht Friede vor, und Hans Wurst hat Kardinal Schönborn getroffen (Seite 36). Einen Heiligenschein hat aber noch niemand, der AUGUSTIN bleibt höllisch. Versprochen.