Augustin 504
Das Risiko und die Straße
Jedes Jahr hat sein Vokabular. 2019 war es «Ibiza» – das Wort des Jahres hatte neben Korruptions- zumindest noch Urlaubsflair. In Urlaub fahren ist heuer kaum drin. Was also wird 2020 geprägt haben? Wir werfen hiermit «Risikogruppe» in den Ring. «Die behördlichen Definitionen der Risikogruppen für eine Covid-19-Erkrankung sind laut Gesundheitsminister Rudolf Anschober fast fertig», berichtete die APA am 16. April. Laut Medienberichten sollen die Betroffenen in den nächsten Wochen direkt informiert werden. Wir sind gespannt, ob AUGUSTIN-Kolporteur_innen direkt informiert werden. Denn egal, ob jung und gesund oder älter und mit Vorerkrankung: Allesamt sind armutsbetroffen, mehrere auch obdachlos. Faktoren, die jedes Risiko um das Vielfache erhöhen.
«Armutsgefährdet» wäre auch ein Wort, das 2020 (bisher) beschreiben könnte. «Für mich ist die Situation hart», hat eine Masseurin unserer Redakteurin Lisa Bolyos für die Coverstory (S. 6) erzählt. Die Betroffene ist seit Corona arbeitslos, und damit trauriger Teil eines historischen Rekordes: Rund 600.000 Arbeitslose hat diese Krise hervorgebracht. Am 1. Mai aufmarschieren oder am 30. April zum «Tag der Arbeitslosen» auf die Straße gehen spielt’s heuer nicht. Dabei gäbe es gute Gründe, denn viele sind am finanziellen Limit. Sei es, weil das AMS-Geld nicht zum Leben reicht, für den einen Corona-Zuschuss die Kriterien zu streng sind, der andere nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist, oder weil man in undokumentierten Arbeitsverhältnissen beschäftigt war, und damit durchs soziale Netz fällt. Wenn man dann weder ins Heimatland reisen noch einen neuen Job suchen kann, ist «Verarmung vorprogrammiert», wie eine Mitarbeiterin der UNDOK-Anlaufstelle im ÖGB in der Coverstory zitiert wird.
Kriterien für Zuschuss aus dem AUGUSTIN-eigenen Corona-Härtefallfonds gibt es für Kolporteur_innen in Not nicht. Gelindert werden kann Not so aber nur kurzfristig. Nachhaltigkeit schafft der florierende Straßenverkauf. So wie viele Menschen quer durch die Berufsgruppen wünschen sich auch die Verkäufer_innen des AUGUSTIN und anderer Straßenzeitungen, nicht «arbeitslos» zu sein. Apropos … wie wärs eigentlich mit Grundeinkommen?