Augustin 514
Wider die politische Einfältigkeit
Hermes Phettberg hat eine «Wurstsemmel» gegessen (S. 31). Er erwähnt diese Mahlzeit in seinen Phisimatenten, weil die Semmerleinlage, «ein Produkt aus Hühnereiweiß, Erbseneiweiß und verschiedenen Gewürzen», exakt so schmecke wie Extrawurst. Sehr unterschiedliche Zutaten können also «total idente» Geschmacksempfindungen auslösen. Das führt uns jetzt zur Wienwahl, wo drei Parteien zwar mit verschiedenen Beschriftungen antreten – «Neue Volkspartei», «Freiheitliche Partei» und «Allianz für Österreich» –, doch ihre Politik unterscheidet sich kaum voneinander. Daher sollte sich insbesondere dieses Trio vom Gustl angesprochen fühlen: «Die politische Einfältigkeit scheint sehr bunt verteilt zu sein.» (S. 5.)
Kann Bier bestellen auch politisch gedeutet werden? In der Titelgeschichte, dem Protokoll eines Gesprächs zwischen den beiden «Neuen Wiener Literatinnen» Lena Johanna Hödl und Lydia Haider im Café Weidinger, wird diese Frage aufgeworfen (S. 6). Sprachpolitik und -kritik beginnen bei scheinbar unverdächtigen Bezeichnungen wie «Bauernbutter» oder «Bauernbrot». Lieber wäre Lydia Haider eine «1er-Golf-Butter», benannt nach der ersten Generation des beliebten Volkswagenmodells.
Gemeindebauten sind fürs «gemeine Volk» gedacht und bieten in Wien rund einer halben Million Menschen ein finanziell halbwegs erschwingliches Zuhause. Mareike Boysen weist auf zwei unrechtmäßige Praktiken hin, wie Gemeindebaumieter_innen
versuchen, ihr Haushaltsbudget aufzufetten (S. 13): Einerseits mit Aufschlägen bei Untervermietungen, andererseits mit überzogenen Möbelablösen bei Direktvergaben. Solche Methoden höhlen ein aufs Gemeinwesen ausgerichtetes System aus. Ein anderes Denken ist gefordert für das Gelingen einer Stadt, von jedem Individuum, aber auch im politischen Verband. Mögen die Gewinner_innen
der Wienwahl nicht nur ihre Klientel bedienen.