Augustin 527
Verabschieden verboten
Als meine Mutter starb, saß ich, ihre Hände haltend, an ihrem Krankenhausbett, sie hat mich mehr erahnt als noch erkannt – und nie vergessen werde ich diesen süßlichen Duft ihres sterbenden Körpers. Da ist das Geruchsgedächtnis unerbittlich. Immerhin war die individuelle und kollektive Trauer beim Begräbnis und ihre Auflockerung beim
anschließenden gemeinsamen Essen und Trinken und Reden im Wirtshaus möglich. Das sind, trotz des schmerzlichen Verlusts, schöne Erfahrungen, die ich nicht missen möchte. Erfahrungen, die in Zeiten dieser vermaledeiten Pandemie komplett undenkbar sind. Gemeinsames Verabschieden streng verboten! Wie schlimm das für die Angehörigen ist, schildert Katharina
Brunner in unserer Titelgeschichte ab Seite 6.
Verboten ist es demnächst auch Bedürftigen, eine Nacht im Trockenen der Notschlafstelle Gudrunstraße, kurz Gudi, zu verbringen. Grund dafür ist die glorreiche Idee der Stadt Wien, das Haus zu schließen. Ersatzlos. Kurto Wendt
berichtet über diesen Skandal und die Proteste dagegen (ab Seite 10). «Erlaubt» war es dafür
einer einst aus Bosnien kommenden, akademisch ausgebildeten Psychologin, in Österreich zu putzen und Teller zu waschen. Nach ihrer Qualifikation angemessener Arbeit in einem Frauenhaus ist sie jetzt Rentnerin – und bäckt leckere Kuchen für die Vollpension (Seite 19).
Von Sopron, wie es isst und trinkt, erzählt Herr Groll auf Reisen nicht ohne den Verzicht auf pointierte politische Aufklärung (Seite 32). Und Kerstin Kellermann hat drei Künstlerinnen zum Gespräch gebeten, die sich um den Nachlass verstorbener Kolleginnen kümmern (ab Seite 22). Womit wir wieder beim Thema wären.