Augustin 539
Streitfall Bier
Die Redewendung «Das ist nicht mein Bier» drückt aus, dass man eine Sache, eine Angelegenheit oder ein Thema (entschieden) ablehnt. In der Frage um die Aufnahme von Schutzsuchenden wird vom Stammtisch weg hinauf bis ins Bundeskanzleramt und wieder retour betont, sich nicht für Flüchtlinge verantwortlich zu fühlen.
Gertrude Hennefeld ist anderer Ansicht. Für sie ist im übertragenen Sinne das Thema Flucht sehr wohl auch unser Bier. Die Juristin nahm die Eruption von weltpolitischer Bedeutung im Jahr 1989 zum Anlass für eine berufliche Veränderung. Sie suchte nach einer Arbeit, die sie mit ihrem Gewissen vereinbaren konnte, und begründete in Traiskirchen den Flüchtlingsdienst. Ihre Eindrücke von damals hat Gertrude Hennefeld niedergeschrieben und uns überreicht. In Auszügen bringen wir dieses ermutigende Zeitdokument (S. 6) und ersuchten den Zeitzeugen und Augustin-Mitbegründer Robert Sommer um einen Kommentar zu diesen Erinnerungen (S. 8).
Buchstäblich ums Bier geht es in der Reportage (S. 16) von Michael Bigus (Fotos) und Lisa Bolyos (Text). Ausgehend von den bei Redaktionsschluss noch laufenden Lohnrunden der Bierbrauer_innen, blickten sie hinter die Kessel. Fragen zu den Arbeitsbedingungen lagen auf der Hand, davon abgesehen wurde auch die heiße Kartoffel Alkoholismus angegriffen (ebenso beim Augustiner-Porträt, S. 3), denn beim Pro-Kopf-Bierkonsum sind die Österreicher_innen mit durchschnittlich rund einhundert Liter im Jahr Weltklasse. Lediglich unsere tschechischen Nachbar_innen hängen uns (noch) kistenweise ab.
Noch einmal zur eingangs zitierten Redensart: Eine These führt deren Bedeutung auf die Student_innensprache des 19. Jahrhunderts zurück. Einer anderen zufolge sei mit «Bier» aber nicht das Hopfenkracherl gemeint, sondern, in einer westmitteldeutschen Mundart ausgesprochen, «Birne». Jedenfalls können auch Birnen zu Missbrauch verleiten, wenn sie in «veredelter» Form von Schnaps oder Obstmost konsumiert werden.