Augustin 561
Fehlendes & Vorhandenes
Wer die alljährlichen Herbstlohnrunden medial verfolgt, die heuer aufgrund der Teuerung besonders «heiß» sind, der:die weiß: Wenn es ums «Ergreifen von Kampfmaßnahmen» geht, stottern die meisten Gewerkschafter:innen. Dass es hier an einer Kampfkultur fehlt, zeigt schon die Wortwahl in der sozialpartnerschaftlichen Sprache: Obwohl das Wort Kampf in Kampfmaßnahme steckt, drückt sie gelinde aus, was damit gemeint ist: streiken.
Was den Gewerkschaften außerdem fehlt, sind Organizing-Konzepte für migrantisch geprägte Belegschaften wie in der Forstarbeit, die in Österreich vor allem Männer aus Rumänien verrichten, unter miserablen und gefährlichen Bedingungen. Mit einem Forstarbeiter hat Christian Bunke für die Coverstory gesprochen und anschließend die mangelnde gewerkschaftliche Organisierung in der Branche einer Analyse unterzogen (S. 6).
Scheinbar fehlt dieser Ausgabe auch etwas. Wenn Sie nach rechts blicken auf die nächste Seite, werden Sie feststellen, die Rubrik Augustiner:in, in der wir regelmäßig Augustin-Mitarbeiter:innen, vor allem Verkäufer:innen, porträtieren, fällt diesmal aus. Denn für die bewegende Geschichte des Augustin-Verkäufers Anatolii Bardizh und seiner Lebensgefährtin Anna Frankiv reicht eine Seite nicht aus. Die zwei sind im Sport (Halb-)Marathon-Teilnehmer:innen und zuhause ein Dreamteam. Trotzdem mussten sie wegen dem Krieg aus ihrem Heimatort in der Ukraine nach Wien fliehen, da beide einen Rollstuhl benützen und bei Bombenalarm nicht im Keller Schutz suchen können. Es mag ihnen an vollständiger Mobilität fehlen, an Lebenskampfgeist aber kein bisschen. Ihre Geschichte lesen Sie in einer «Augustiner:in extended» auf Seite 14.
Was oft im Leben fehlt, ist die Auseinandersetzung mit dem Tod. Nicht so in der Arbeit der Künstlerin Xenia Lesniewski. Ruth Weismann hat sie für unseren aktuellen Schwerpunkt zu Erbschaft getroffen (S. 18). Denn nach dem Tod kommt das Erbe – und dann der Augustin, wenn Sie uns in Ihrem Testament nennen. Wir sagen danke, schon im Leben.