Augustin 573

Stilfragen

In einem Innenstadtlokal durfte ich Zeuge einer amüsanten Szene werden. Ein junger Mann tritt ein. Am Nachbartisch kommentiert ein Gast mit einer großen Portion Fassungslosigkeit das Outfit des Eintretenden: Wie könne man sich nur derart «kontrolliert verwahrlost» kleiden!? Ich hatte vorher noch nie Shabby Chic so ins Deutsche übertragen gehört und war ­davon begeistert, aber auch vom extravaganten Stil des jungen Mannes, der sich später alles andere als mittellos zeigen sollte.
Umgekehrte Fälle kenne ich als Augustin-­Redakteur genug: Menschen, die mit der Kleidung ihre Armut tarnen. Und es ist zu befürchten, dass es mehr werden könnten, denn am 20. April veröffentlichte die Statistik Austria unerfreuliche Zahlen: Im Jahr 2022 konnten sich 2,3 Prozent der Bevölkerung mehrere Ausgaben wie neue Möbel, einen Urlaub oder eine angemessen warme Wohnung nicht leisten. Im Jahr zuvor waren es noch 1,8 Prozent, somit ein Zuwachs von 40.000 Personen. Zum Vergleich: Wiener Neustadt hat rund 47.000 Einwohner:innen.
Mitverantwortlich sind die steigenden Mieten, ein Problem, das in der Mittelschicht angekommen sei, so Alexander Machatschke von der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe im Interview mit Lisa Bolyos (Seite 8). Auf der Doppelseite davor beschäftigt sich Anne Brockmann mit dem ambitionierten EU-Ziel, bis 2030 die ­Obdachlosigkeit zu überwinden. Am Papier zieht Österreich mit, die Praxis zeigt eher das Gegenteil: Es fehlt nicht nur ein bundesweites Programm (Sozial- und Wohnungswesen ist Ländersache!), vielmehr riskiert die Bundesregierung mit ihrem Verzicht auf eine Mitpreisbremse eine Erhöhung der Zahl der Wohnungslosen, wie Mara Verlič darlegt (Seite 12). Hier ist nicht nur Türkis-Grün zu kritisieren, sondern auch die Wiener Stadtregierung, denn sie hätte den Gemeindebauzins gar nicht anheben müssen. Oder nach Grazer Vorbild nur um zwei, statt um 8,6 Prozent. Das ist auch eine Frage des Stils.

(Coverfoto: Michael Bigus)

Sind Wolken flauschig?

Eine Frage an … den Meteorologen Daniel Zeinlinger

Obwohl Wolken sehr kuschelig aussehen, sind sie es leider nicht: Sie bestehen aus Wasserdampf, Wassertröpfchen und Eiskristallen. Der Wasserdampf ist immer in der Luftschicht, wo das Wetter stattfindet, nur in verschieden dichter Ansammlung.

Wenn … weiterlesen

Es ist viel komplizierter

Gottfrieds Tagebuch im April 2023

18. 3.
Auf dem Weg zur und von der Nahversorgerin meines Vertrauens begegnen mir viele Leute. Es werden sicher auch viele Menschen dabei sein, aber das sieht oder hört man ja nicht sofort. In einem meiner diensthabenden Gehörgänge trifft ein interes… weiterlesen

Drei Tage

Erste Dämmerung fiel auf einsame leere Straßen, eine ­lange Metalllaterne mit ihrem runden Helm, gebeugt, ­leuchtete schwach aus ihrem senkrechten Bauch, ab und zu hörte man Schuhsohlen leicht schlagen, als würden sie ­einen Weihnachtswecker unter si… weiterlesen

Die vielen Stimmen stimmen

Musikarbeiter unterwegs … anderen Chören auf der Spur

Stimmerhebungen allerorten! Schimpf und Schande Chor Breitensee heißt ein aktuell in Gründung befindlicher Wiener Chor. Und im Mai findet auch endlich wieder das Festival Alternativer Chöre statt.

 

Es hallt nach, «Halt Dich an Deiner Lie… weiterlesen

«Ständig dieses ‹Hallo, bitte! Hallo, bitte! …›»

Maria und Tîrloi sind Pendler:innen. Sie verdienen ihren Lebensunterhalt mit Betteln in Hamburg. Der Dokumentarfilm «Europa Passage», den der Augustin in Kooperation mit dem Festival ethnocineca am 10. Mai in Wien zeigt, gibt Einblick in ihre Geschi… weiterlesen

Eine Vorstadt zur Diskussion stellen

Mit der Suburbinale hat Groß-Enzersdorf ein Stadtrand-Filmfestival von internationalem Format. Wie ist es dazu gekommen?

 

Mit Groß-Enzersdorf verbinden viele Menschen das Auto­kino, sonst eher ­wenig bis nichts. Dieses in Österreich einz… weiterlesen

In der Mitte der Gesellschaft

Sachbuch: Reportagen/Porträts

Monsieur L. (Name geändert), 63, wohnhaft in Biel, unverheiratet (was nicht stimmt), von Beruf Kaufmann, war nie ein großer Schaffer, aber gewissenhaft und freundlich immerzu. Als er mit vierzig keine ­Arbeit mehr fand (erst Pech, dann Depressionen),… weiterlesen

Gefühlspolitik

Speakers‘ Corner (April 2023)

Und dann sagt sie in ­meinen ­Kopfhörer ­hinein, sie habe ­immer die Straßenseite gewechselt, wenn sie in Frauen­kleidern unterwegs gewesen sei – und katapultiert mich in meine Wiener Anfängerinnenjahre hinein, die ich noch 25 Jahre später nicht zum … weiterlesen

«Wohnen muss leistbar sein»

Wohnungslosigkeit beenden – gern, aber wie? Ein Gespräch mit Alexander Machatschke von der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe.

 

Obdach- und Wohnungslosigkeit beenden? Das klingt radikal und fantastisch.

Alexander Machatschke… weiterlesen

Obdach für alle!

Vor zwei Jahren beschlossen die EU-Mitgliedstaaten, Obdachlosigkeit bis 2030 zu überwinden. Was hat sich seither in Deutschland und in Österreich getan?

 

Am 21. Juni 2021 trat Nicolas Schmit in Lissabon für eine Erklärung vor die Mikrofo… weiterlesen

Unser letztes Hemd

Eing’Schenkt

«Es war Normalität, auf nichts ein Recht zu haben, ­weder auf Teilhabe noch auf Ablenkung noch auf Freude. Wer arm ist, hat keine Freude zu haben», erinnert sich ­Daniela Brodesser in ihrem Buch Armut über die Zeit, als sie in Armut lebte. «So weit h… weiterlesen

Reingerutscht

Augustinerin Weina Zhao

Schon während des Studiums der Sinologie und Japanologie habe ich mich viel mit Film auseinandergesetzt, ins Filmemachen bin ich reingerutscht durch eine Anzeige von Judith Benedikt, die damals einen Film über die chinesische ­Migration in Österreich… weiterlesen

Wir sagen Danke, liebe Brillencrew!

Wos is los … beim Augustin? … im April 2023

Mitte April wurde der Augustin wieder einmal zum besten Optiker der Stadt: Alle paar Jahre kommt Jürgen Mauch (jöschau optik Eisenstadt) mit Branchen­kolleg:innen nach Margareten, um Augustin-Verkäufer:innen neue Gläser anzupassen. Zehn Optiker:innen… weiterlesen

teilen: