Augustin 610
Straßengeschichten
So unterschiedlich die über 400 Menschen sind, die den Augustin verkaufen, so vielfältig sind auch die Gründe, warum sie als Kolporteur:innen arbeiten. Sie bilden keine homogene Masse, doch sie verbindet so einiges. Sie stehen vor Supermärkten, bei U-Bahn-Stationen, an vielen Ecken der Stadt, sind als Bestandteil des Stadtbildes nicht wegzudenken. Selbst sind sie im öffentlichen Raum gut sichtbar, doch unsichtbar bleibt die Diskriminierung, Entrechtung und Kriminalisierung, der sie tagtäglich ausgesetzt sind. Und das aus dem schlichten Grund: weil sie dastehen – und den Augustin verkaufen.
Doch weder Armut noch Kolportage ist ein Verbrechen, und alleine sind sie nicht. Unsere Sozialarbeiter:innen hören zu, vermitteln zu Hilfsorganisationen, leisten Rechtshilfe, intervenieren, manchmal reicht schon ein Telefonat, um ihre Rechte zu verteidigen. Welche Schikanen Augustin-Verkäufer:innen tagein, tagaus auf der Straße erleben und wie ihnen das Augustin-Team zur Seite steht, dazu haben Florian Müller und ich recherchiert, Erfahrungsberichte von Verkäufer:innen ergänzen die Titelstory – ab Seite 6.
In selbstgeschriebenen Kurztexten legen auch Deutschlernende eines VHS-Basisbildungskurses in Floridsdorf ihre Biografien dar (Seite 30). Aufrüttelnde Geschichten von Krieg, Flucht und Schicksalsschlägen, aber auch von Ankommen und Hoffnung.
Menschen über ihre Erfahrungen, Sorgen und Wünsche selbst sprechen – und schreiben – zu lassen, ist demokratisch fundamental. Genug ist das aber nicht. Blicken Sie, liebe:r Leser:in, in das alltägliche Leben der Augustin-Kolporteur:innen – mit der Lektüre dieser Zeitung aber auch in Gesprächen auf der Straße! Intervenieren auch Sie für ihre Menschenrechte. Denn ohne sie gäbe es diese Zeitung nicht. Der Dank gebührt also euch, liebe Augustin-Verkäufer:innen, dass ihr da draußen bei jedem Wetter und jeder Laune, die Stellung – und damit diese Zeitung – (er)haltet.
TEXT: SÓNIA MELO
COVERFOTO: NINA STRASSER