Ausgabe 467 - 10/2018
Der Mehrwert von Straßenzeitungen
Die erste Ausgabe des AUGUSTIN erschien im Oktober 1995, wir könnten demnach bald unseren dreiundzwanzigsten Geburtstag zelebrieren, wäre uns nur zum Feiern zu Mute. Der Grund für unsere Verstimmung: Seit Bestehen des AUGUSTIN wurden sogenannte Randgruppen noch nie so konsequent schikaniert oder gar aus dem öffentlichen Raum gedrängt wie in jüngerer Vergangenheit.
Das Paradebeispiel dafür ist das Alkoholverbot am Praterstern, aber auch am Reumannplatz kündigt sich hinterfotzig etwas an: Näheres dazu in unserer Rubrik Immo Aktuell auf Seite 13.
Unsere Verkäufer_innen können schon ein Lied von der Verdrängung singen, vermehrt berichten sie von Personenkontrollen, erst recht jene, die nicht dem Klischee vom autochthonen Sandler entsprechen, die also nicht akzentfrei Deutsch sprechen und vielleicht auch noch eine dunklere Hautfarbe haben.
Nicht einmal als Geschäftsmann, wenn man eine schwarze Hautfarbe hat, wird man in Ruhe gelassen, wobei John Mwene in der Titelgeschichte festhält, dass es jetzt die junge Generation von Schwarzen schon einfacher als seine hätte. Sohn Phillipp ist in Wien groß geworden und macht gerade Karriere als Fußballprofi in Deutschland. Viele Gründe für ein Doppelporträt auf Seite 22.
Der öffentliche Raum muss über seine Funktion als Aufenthaltsort für Subalterne hinaus auch noch Platz für Subkultur bieten können. Wir berichten auf Seite 28 von der wohl schrägsten Hochzeit, die in den letzten Jahren über die Ladekante eines Transporters gegangen ist. Pikanterweise kam der Tipp, dass sich am Wallensteinplatz etwas abspielen dürfte, aus dem Ausland.
Ebenfalls aus dem Ausland, aus Großbritannien, ereilte uns der Jahresbericht des Internationalen Netzwerks der Straßenzeitungen (INSP). Diesem Verband gehören mittlerweile knapp über einhundert Straßenzeitungen aus 34 Ländern an (darunter selbstredend der AUGUSTIN). Insgesamt rund 21000 Kolporteur_innen verkauften im vergangenen Jahr etwa 20 Millionen Exemplare, die Einnahmen in der Höhe von rund 27 Millionen Euro erbrachten. Neben dieser wirtschaftlichen Seite sollte auch die politische in Betracht gezogen werden, denn eine Straßenzeitung zählt in der Regel zur Gegenöffentlichkeit, da sie als Plattform der Marginalisierten dient und im Falle des AUGUSTIN darüber hinaus auch noch als Stadtzeitung und als Forum geradliniger Kritik aller Formen sozialer Ungerechtigkeit.
Abschließend möchten wir unseren Kolleg_innen in Oberösterreich von der Kupfermuckn gratulieren, die heuer den INSP-Award in der Kategorie «Beste Kampagne» gewinnen konnten. Die Kupfermuckn kampagnisiert, unter anderem mit herrlich aktionistischen Einlagen, seit Jahren gegen die Vertreibung von Randgruppen in Linz. Aber wir sind auch nicht ganz untätig, vorerst noch diskursiv – Näheres dazu auf Seite 26.