«Anerkennung zahlt meine Rechnungen nicht»Artistin

Für die Teilnahme an Ausstellungen bekommen Künstler_innen nicht immer Geld. Das sollte sich ändern, finden viele. Die IG Bildende Kunst enwickelt im Rahmen ihrer Kampagne Pay the artist now! Richtlinien. Text: Ruth Weismann

Die Grille und die Ameise ist eine Fabel des französischen Schriftstellers Jean de La Fontaine, verfasst im 17. Jahrhundert. Die Grille sitzt den ganzen Sommer über nur im Feld, zirpt und singt. Damit erfreut sie alle um sich herum. Die Ameise hingegen trägt Futter zusammen. Als der Winter kommt, hat die Grille Hunger. Ihr bleibt nur noch, nun auf Befehl der Ameise zu tanzen, damit auch sie etwas vom Futter abbekommt. Die Grille muss sich also dem Willen der Ameise beugen, die diese nicht «umsonst» mit Essen versorgen möchte. Als Fazit wird in Interpretationen oft angeben: Kunst ist schön, aber brotlos. Es könnte aber auch lauten: Pay the artist now! – mit den Worten der IG Bildenden Kunst Wien gesprochen, der Interessensvertretung für Künstler_innen, die damit eine Kampagne zur angemessenen Bezahlung von Künstler_innen in Ausstellungen auf die Beine gestellt hat. Denn dass Künstler_innen für ihre tatsächliche Arbeit bezahlt werden, ist nicht immer der Fall.

Kunst ist Arbeit.

Die Zielgruppen der Kampagne sind zum einen Künstler_innen selbst, die es oft auch normal finden würden, kein Geld für eine künstlerische Tätigkeit zu bekommen, wie Sheri Avraham von der IG im Gespräch mit dem AUGUSTIN sagt. «Der zweite Teil ist, dass wir beginnen, mit öffentlichen Fördergeber_innen, wie Bundeskanzleramt und MA7, eine stabile Honorarrichtlinie zu entwickeln. Künstler_innen, Kurator_innen und Institutionen, die um öffentliche Gelder ansuchen, sollen einer Honorarrichtline folgen müssen. Das heißt, wenn ich als Institution 100 Künstler_innen einlade und zu wenig Geld für die Arbeit, die die Künstler_innen für die Ausstellung machen, als Honorar angebe, wird das Fördergeld nicht ausgeschüttet. Damit vermeiden wir, dass öffentliches Geld für nichtbezahlte Arbeit verwendet wird», erklärt Avraham den Ansatz.

Vor fünf Jahren hat die IG begonnen, internationale Beispiele zu analysieren. Denn es gibt in vielen Ländern Modelle für Honorarrichtlinien. «2016 haben wir dann begonnen, für unsere Galerie in der IG eine Richtlinie zu erarbeiten, damit wir ein Beispiel geben können für Institutionen, die das auch implementieren wollen. Seit 2017 haben wir eine Richtlinie als Testphase für unsere Galerie eingeführt. Uns war wichtig, die Honorare in einer Relation zum Ausstellungsbudget zu halten», erläutert Vasilena Gankovska, die ebenfalls im Verein der IG ist. Um die Diskussion breit und öffentlich zu führen, veranstaltet die IG «Frühstücksgespräche» mit Kurator_innen, Künstler_innen und Institutionen, etwa waren die Wiener Secession und das Künstlerhaus, rotor aus Graz, die Galerie 5020 aus Salzburg und einige mehr dabei. Erfahrungsgemäß würden die meisten Institutionen Honorare bezahlen, aber keine Richtlinien verwenden, so Gankovska. Es sei vom Budget abhängig und werde ausverhandelt. Oft aber komme es auch vor, ergänzt Avraham, dass junge Künstler_innen am Beginn ihrer Karrieren gar nichts bekommen.

Arm, aber sexy?

Ein Best-practice-Beispiel ist das «Berliner Modell»: Für die Teilnahme an Ausstellungen in einer der kommunalen Galerien werden Honorare bezahlt, die aus einem extra eingerichteten Fonds der Stadt gespeist werden. Für Ausstellungen mit ein bis zwei Teilnehmer_innen sind mindestens 1500 Euro pro Person vorgesehen, bei bis zu zehn Beteiligten 500 Euro, ab zehn Personen 250 Euro. Für die Honorare werden eigene Verträge mit den Künstler_innen abgeschlossen – auch, damit sichergestellt ist, dass das Geld nicht vom Produktionsbudget abgezogen werden kann. Der Fonds stellt das Geld allerdings ausschließlich den kommunalen Galerien zur Verfügung.

Ein derart öffentlich geführtes Galerienwesen gibt es in Österreich nicht, ein Modell muss also anders aussehen. Mit Veronika Kaup-Hasler, der Stadträtin für Kultur und Wissenschaft in Wien, sei man jedenfalls im Gespräch, hört man aus der IG Bildenden Kunst. Wichtig ist die Begriffsunterscheidung: Es soll um Ausstellungshonorare gehen, welche die Teilnahme an einer Ausstellung entlohnen. Reisekosten, Produktionskosten und anderes sollen extra bezahlt werden können. In einigen Ländern gibt es auch Künstler_innenhonorare, die quasi die gesamte Zeit und Arbeit, die in das Ausstellen fließen (E-Mail-Kommunikation mit der Institution etc.) bezahlen. Ein Risiko, das Gankovska sieht, sobald die Stadt Wien eine Ausstellungshonorarrichtlinie für Förderungen umsetzt: dass weniger Projekte oder Ausstellungen gefördert werden, wenn das Budget nicht insgesamt erhöht wird. Dies verhindert in Berlin zum Beispiel der Fonds, der extra dafür geschaffen wurde.

Geldmaschine.

In den Räumlichkeiten der IG in der Gumpendorfer Straße ist derzeit eine kleine Ausstellung zum Thema zu sehen: A call to save: the safe place!, kuratiert von Carla Bobadilla mit Arbeiten von Anna Vasof und Sattva Giacosa. Vasof, die oft mit Video, Aktionen und Installationen arbeitet, hat – in direkt-metaphorischer Art – eine Maschine entworfen, bei der eine Hand den Geldschein zu erreichen versucht, der ihr von einer angelähnlichen Vorrichtung von oben herab gereicht wird. Gütige Mäzenat_innengeste, Produktionsimperativ, Dem Geld nachlaufen müssen, da man ja erstens nicht ständig ausstellt, selbst wenn man dafür bezahlt bekommt, zweitens nicht ständig etwas verkauft, drittens sowieso davon abhängig ist, dass einen irgendeine Galerie, Museum, Sammler_in, Inflluencer_in irgendwann «entdeckt». Ist es das, was eine Gesellschaft von Künstler_innen verlangen darf? Ständig zur Verfügung stehen, aber auch ständig prekär leben?

Schichtfrage?

Einst waren diese von Auftraggeber_innen wie Kirche und Adel abhängig, und wer das Geld hatte, bestimmte auch oft, was gemalt oder gebildhauert werden sollte. Die Freiheit der Kunst, die mit dem Aufkommen des Bürgertums einherging, prägte aber auch eine neue Form des Prekariats, auch wenn der Begriff damals so noch nicht verwendet wurde.

«Die Gefahr, dass prekäre Positionen aufhören, Kunst zu produzieren, kann sich keine Gesellschaft leisten», stellt die IG in ihrer Kampagne fest. Im ­Bericht zur sozialen Lage der Studierenden, in dem das Institut für höhere Studien (IHS) seine Studierenden-Sozialerhebung 2015 publiziert, ist ein bemerkenswertes Ergebnis angeführt (Band 2: Studierende): «… an öffentlichen Kunstuniversitäten sowie an Privatuniversitäten sind Studierende aus der niedrigen Schicht deutlich unterrepräsentiert …» Als Definition gibt das Institut im Bericht an: «Zur niedrigen Schicht zählen insbesondere Studierende, deren Eltern eine Lehre absolviert haben und in einer ArbeiterIn-/Angestellten-Position ohne Leitungsfunktion tätig sind. Häufig genannte Berufe sind LandwirtIn, bei Vätern zudem KFZ-Techniker bzw. Techniker in anderen Bereichen, bei Müttern Verkäuferin, Sekretärin oder Reinigungskraft.»

Generell ist das nichts Neues, die Situation zeigt aber eines auf: Prekäre gesellschaftliche Positionen, was Status und Einkommen betrifft, haben weniger Chancen, Berufe auszuüben, bei denen die Aussicht auf ein halbwegs regelmäßiges Einkommen – etwa künstlerische Berufe – gering, das soziale Kapital und die Bildung allerdings hoch ist. Denn «Moneyjob» und Künstler_innentätigkeit zu vereinbaren ist nicht für alle immer einfach.

«Can I Afford to Work for Free?» ist einer der Slogans, den Künstlerin Jelena Micić, die als kültüř gemma! Fellow 2018 in der IG zu Kunst und Geld recherchierte, in der begleitenden Publikation in Großbuchstaben abgedruckt hat. Die Zeitschrift dient quasi als Katalog und setzt sich auf einer weiteren Ebene mit dem Thema auseinander. Die Antwort auf ihre Frage gibt sie ebenfalls dort: «I Work for Money».

A call to save: the safe place!

Ausstellung zum Thema Kunst & Geld

Anna Vasof, Sattva Giacosa

Kuratiert von Carla Bobadilla

Bis 26. Jänner 2019

Eintritt frei

www.igbildendekunst.at