Ich hatte eine sehr anstrengende Woche hinter mir, nachdem ich von einem Sozialarbeiter zum nächsten bin. Warum hab ich das getan? Weil ich in einer sehr hoffnungslosen Lage stecke, die meine Wohnungssituation betrifft. Auf die möchte ich jetzt eingehen. Damit ihr euch ein Bild davon machen könnt, gehe ich nun zum Anfang meiner Wohngeschichte zurück.
Grafik: Karl Berger
Ich bin 39, werde heuer 40. Ich lebe seit meiner Kindheit in dieser Stadt. Ich bin im westlichen Teil dieser Stadt aufgewachsen, habe dort bis zum meinen 19., 20. Lebensjahr gewohnt. Dort hatte ich meine Meldeadresse, und mit 19 hatte ich die Chance, die Wohnung von meiner Großmutter zu übernehmen, wollte dies auch tun. Jedoch wollte ich zuerst Geld investieren, um die Wohnung zu renovieren, weil sie schon sehr runtergewohnt war, weil zuvor auf zirka 45 Quadratmetern 4, manchmal sogar 5 Menschen gewohnt hatten.
Leider stellte sich meine Großmutter quer. Ich glaube, sie wollte in dieser Wohnung keine Veränderung, und das war der große Streitpunkt. Ich damals jung und stur, sie alt und stur. Deshalb beschloss ich für mich keine Miete zu bezahlen, wo ich mir heutzutage denke, das war ein großer Fehler. Auf der anderen Seite wiederum wäre ich jetzt nicht der, der ich bin, wenn ich dies getan hätte, und Fehler machen wir alle – ist ja menschlich, oder?
Ich konnte für ein paar Monate in dieser Wohnung bleiben. Eines Tages nahm ich einen damaligen Kumpel von mir und meiner damaligen Freundin mit nachhause, weil er Stress zu Hause hatte und ich ihm helfen wollte. In dieser Wohnung waren im Wohnzimmer 4 Betten, ich schlief mit meiner Freundin in einem und er in einem anderen. Am nächsten Morgen, so um 7 Uhr in der Früh, öffnete mein Großvater die Wohnungstür und warf uns alle drei aus der Wohnung raus – somit war ich das erste Mal obdachlos. Mein Großvater hatte damals meiner Familie gegenüber behauptet, dass wir zu dritt eine Orgie gefeiert hätten, das sei der Grund für seinen Rauswurf. Natürlich stimmte der Vorwurf nicht.
Pfandflaschensammeln
Nun hing ich in der Luft, wusste nicht, wohin mit mir und wie es jetzt weitergehen sollte. Jedoch hatte ich damals auch Glück, meine damalige Freundin wohnte noch bei ihrer Mutter, die dann so freundlich war und mich bei sich zuhause aufnahm. Dieser Aufenthalt war aber nicht von langer Dauer. So war ich wieder in der Situation. Ich habe dann mit meinen Punkfreunden die Nacht im Flex verbracht. Wir haben Flaschen gesammelt im Flex, für die gab´s damals Pfand – 5 Schilling pro Flasche, und so verdienten wir uns unser Geld, das wir für Essen, Trinken, Hundefutter, Rattenfutter, was auch immer brauchten. Manchmal haben wir in der Früh am Schottentor geschnorrt, oder es ergab sich eine Möglichkeit zum Schlafen bei Bekannten, Freunden oder Leuten, die wir aus dem Flex kannten.
Manchmal schliefen wir auch in leerstehenden Häusern oder auf einer Parkbank oder in der U-Bahn-Station
Manches Mal schliefen wir auch im Flex bis zur Sperrstunde. Ab und zu konnte ich auch bei der Freundin schlafen, hab mich dann in der Früh aus der Wohnung geschlichen. Manchmal schliefen wir auch in leerstehenden Häusern oder auf einer Parkbank oder in der U-Bahn-Station, bis die Polizei kam und uns vertrieb, dann sind wir zum Stadtpark und haben unter einer Brücke geschlafen.
Das ging ein paar Monate so. Ich hatte dann einen Job als Fahrradbote und somit brauchte ich einen Platz, wo ich schlafen konnte. Ich bin dann zur Bahnhofs-Mission gegangen, und die haben mich in diversen Notunterkünften untergebracht. Das lief so ab: Man musste jeden Tag zur Bahnhofs-Mission und die haben einen dann zugeteilt in eine Notunterkunft. Ohne Zuteilung konnte man diese Einrichtung nicht aufsuchen. Die Regeln in der Notunterkunft waren folgende: Man dufte nicht betrunken sein, was mir persönlich nicht schwerfiel. Dann gab´s noch eine Deadline, das heißt eine bestimmte Uhrzeit, zu der man spätestens dort sein musste, damit man Anspruch auf ein Bett hatte, z. B. 22 Uhr. Dort schlief man mit mehreren Leuten in einem Raum. In der Früh um 7 oder 8 wurde man dann aufgeweckt. Man konnte dort noch frühstücken, und dann musste man aus der Einrichtung raus, und abends durfte man mit der Zuteilung wieder rein.
Arbeiten, Notschlafstelle, Arbeiten
Das ging etwa 3 Monate bei mir so – Arbeiten, Notschlafstelle, Arbeiten. Der Vater von meiner damaligen Freundin kannte die Frau Ute Bock sehr gut. Damals hieß es noch Gesellenheim, das Haus in der Zohmanngasse im 10. Bezirk. Er nahm mit der Frau Bock Kontakt auf und schilderte ihr meine Situation. Die Frau Bock war so freundlich und nahm mich in ihren Heim auf, wofür ich ihr bis heute noch dankbar bin. Danke, Frau Bock. Dort wohnte ich ungefähr 1 Jahr lang, war angemeldet in der Zohmanngasse.
Dann gab er uns den Schlüssel zu der Wohnung
Eines Tages fuhren ein Freund von mir und ich mit der U-Bahn. Wir sind gemeinsam auf einen Pfusch gefahren. Wir hatten unsere Füße auf die gegenüber liegenden Sitze gelegt. Bei einer Station sind dann zwei Herren eingestiegen. Die zwei kamen auf uns beide zu und forderten uns auf eine lustige, charmante Weise auf, die Füße vom Sitz runterzunehmen. Dieser Forderung gingen wir dann auch nach. Danach kamen wir ins Gespräch und einer der beiden Herren sagte dann zu uns, er hätte in seiner Wohnung ein Zimmer frei und er gab uns seine Telefonnummer. Am nächsten Tag rief ich ihn an und fragte nach, wie es denn jetzt mit dem Zimmer aussieht. Er lud uns zu sich nachhause ein, wo wir dann bei einem Bier über das Zusammenwohnen und den Mietvertrag sprachen. Dann gab er uns den Schlüssel zu der Wohnung. So lernte ich meinen damaligen Mitbewohner kennen. Mein Freund und ich zogen in das Zimmer ein. Mein Freund blieb nicht lang, ich glaub, dass er wieder zuhause gewohnt hat. Somit blieb ich alleine in dieser Wohnung. Nach rund ein drei Viertel Jahren gab es ein Problem. Es ging um einen Kredit, der für die Wohnung aufgenommen worden war, noch vor unserem Einzug. Der Grund, warum der Kredit aufgenommen wurde, war folgender: Es waren früher zwei Wohnungen, die zur einer großen gemacht wurden.
Bei der Krisensitzung kam dann heraus, dass die Miete steigen würde, was ich mir nicht mehr leisten konnte. Ich habe damals vom Schnorren, später vom Augustinverkaufen gelebt. Ich war wieder obdachlos und verließ für eine Zeitlang die Stadt, bin nach Salzburg und später dann weiter nach Köln gefahren, wo ich dann fast hingezogen wäre. In Köln hielt ich mich in einen Punkhaus auf. Das Haus wurde von der Stadt Köln gefördert, einmal in der Woche kam die Tafel vorbei und brachte Essen.
Schnorren und Straßenzeitungsverkauf
In Köln habe ich dann versucht, vom Schnorren und dem Verkauf der dortigen Straßenzeitung zu leben. Die Straßenzeitung hat sich dort sehr schlecht verkauft. Somit schnorrte ich weiter. Eines Tages, es war schon sehr kalt draußen, ging ich so durch die Straßen, und da fiel mir ein Lokal auf. Auf dem Schild draußen stand «Österreichische Küche» und sie hatten auf der Karte auch Biersorten aus Österreich. Neugierig wie ich bin, bin ich da rein, um mir einen Tee mit Rum zu bestellen und um mich aufzuwärmen. Ich kam mit den Betreibern dieses Lokals ins Gespräch, dabei stellte sich heraus, dass die Betreiber beide aus dem Burgenland waren.
Eines Tages, als ich beim Schnorren war, kamen zwei Polizisten auf mich zu und kontrollierten mich. Kurz darauf, als es schon vorbei war, kam die Betreiberin vom Lokal und fragte mich, was die von mir wollten. Ich hab ihr erzählt, worum es ging. Sie meinte dann sehr freundlich zu mir: «Hättest ihnen gesagt, dass du zu uns gehörst und dass du bei uns arbeitest.» Sie bot mir daraufhin einen Job an, ich sollte die WCs ausmalen. Was ich dann auch tat. Ich bekam dafür zirka 50 DM und Essen und Trinken. Sie schlug mir des weiteren vor, dass, wenn ich Köln bleiben möchte, ich ihren Bierlieferanten bei der Auslieferung helfen könnte, gegen Bezahlung. Ich ließ mir das Angebot durch den Kopf gehen, schlussendlich zog´s mich dann nach Wien zurück. Jedoch bevor ich nach Wien zurückgefahren bin, lernte ich noch einen jungen Punk kennen, der einen kleinen Hund hatte, einen Welpen, und er hatte noch eine Hündin dabei. Ich hatte damals auch einen Hund, einen Labradorschäfer-Mix, besser gesagt, einen «Straßenkreuzer». Der junge Punk war so freundlich und nahm mich bei sich zuhause auf. Der Punk, zirka 17 bis 18 Jahre alt, kam mit seinen Hunden nicht wirklich zurecht, fiel mir auf. Dann hab ich zum ihm gesagt: «Wenn du willst, nehm ich die Hündin.» Er willigte ein, und so machte ich mich mit zwei Hunden und keiner Wohnung auf den Weg zurück nach Österreich.
Ich fuhr mit dem Wochenendticket, das es damals gab, zurück. Das Wochenendticket war sehr praktisch, man zahlte eine Karte, rund 28 DM, und mit dieser Karte konnte man bis zu 5 Personen mitnehmen. So konnte man reisen, auch wenn man kein Geld hatte, aber man brauchte dafür viel Zeit, weil es nur für Bummelzüge galt. Also bin ich von Köln nach Salzburg gereist. In Salzburg angekommen, lernte ich damals meine neue Freundin, eine Punkerin kennen. Sie hatte einen Hund. Wir verliebten uns, ich konnte bei ihr zuhause unterkommen. sie hatte eine kleine Wohnung, es waren dort noch ein paar andere Punks, die dort gewohnt hatten. Ich schätz mal ungefähr acht Leute und viele Hunde. Ich habe den «Asfalter» verkauft, das ist die dortige Straßenzeitung. Damit habe ich mir unsere Weiterfahrt nach Wien finanziert, denn man hatte in der Stadt als Punk nicht viele Möglichkeiten – entweder saß man an der Salzach und betrank sich oder man schnorrte, oder andere wiederum, so wie ich, verkauften die Straßenzeitung. Der «Asfalter»-Verkauf ging richtig gut, so hatten wir sehr schnell das Geld für die Fahrt beisammen.
Fortsetzung folgt
Der 2. Teil der Wohngeschichte erscheint im Augustin Nr. 428, der am 18. 1. 2017 erscheint